Technik & Ges(t)ellschaft

  • Danke für den Text Utan wie du bemerkt hast wollte ich darauf hinaus, dass der Ansatz Technik als Mittel der Energienutzung zu betrachten eine Sichtweise ist, die bestimmte Aspekte der Technologie aufzeigt.


    Ich wollte mich damit allerdings nicht in die Diskussion zur Techniksoziologie einmischen, das macht ihr weiter unter euch aus.


    Ich hatte schon Bruno Latour erwähnt. Ich finde, dass wenn man einen Ansatz sucht der die kulturelle Bedeutung einer bestimmten Technologie erklären soll, die Actor-Network Theorie vieles zu Tage fördern kann. Was in eurer Diskussion (von @S3BU ?) versucht wird (die ich nur am Rande verfolgt habe), ist anscheinend eine große veralgemeinernde Theorie zu finden. Das halte ich für Zeitverschwendung weil da keine Erkenntnis dabei rauskommt.


    Man kann über die kulturelle Bedeutung des Autos reden oder die des Smartphones. Eine verallgemeinernde Theorie zu suchen die beide verbindet führt in den Wald.

  • Automatisierung funktioniert sowieso grundsätzlich nicht auf komplettem gesellschaftlichen Maßstab. Laut Marx schaffen nur Menschen Wert. Die Automatisierung führt zu einer Reduktion der Profitrate.

    Menschen können Wert über ihren eigenen Reproduktionswert herstellen und dabei selbst nicht an Wert verlieren. Wie soll das bei einer Maschine funktionieren? Maschinen stellen immer nur Güter her, die weniger Wert sind als sie selbst (ist bei Menschen anders, die schöpfe mehr als ihr eigener Verzehr von Lebensmitteln wert ist). Wie soll so neuer Profit generiert werden? Eine Maschine, die neuen Wert generiert (und nicht nur ihren eigenen abgibt), wäre ein perpetuum mobile, was unmöglich ist. Sollte es zur Automatisierung im gesellschaftlichen Maßstab kommen, dann hebt sich der Kapitalismus selbst auf.

  • mmn geht es bei der metapher der list (damit arbeitet auch latour) nicht nur darum andere personen "auszutricksen", sonder auch die natur zu "überwinden". der mensch träumt davon zu fliegen was physiologisch unmöglich ist, also muss er sich eine list einfallen lassen und die natur/gegebenheiten zu umgehen...auszutricksen. dabei wird das eigentliche problem nicht unbedingt gelöst, sondern umgangen, was sich wiederum auf den akteur zurückwirkt. da wird es vermutlich wichtig zu enterscheiden wer dann was austrickst, oder umgekehrt.

    Ich hab hier ein Text verlinkt: RE: Interessante Sendungen und Links


    Da gibt es folgendes (S.19f.):

  • ...,war allerdings nichts was man Dir erst umständlich als Strohmann unterschieben müsste, sondern Du hast sie ja selbst erneut ins Spiel gebracht um Deinen hehren Forschungsgegenstand von der profanen Kapitalismuskritik frei zu halten.


    Eine Eigenlogik der Technik einfach als gegeben zu postulieren um ihre Analyse somit von der Betrachtung der sonstigen Logik des gesellschaftlichen Systems zu lösen in welchem sie angewendet wird, ist nun mal leider kein Argument, sondern zunächst mal eine reine Behauptung.

    der strohmann ist so zu tun als ob man dann direkt über ein eigenleben der technik sprechen würde. dir dürfte genauso bewusst sein wie mir, das z.b. marx selber dieses phänomen der eigenlogik von technik an mehreren stellen im kapital beschrieben hat:


    "Es ist selbstverständlich, daß mit dem Fortschritt des Maschinenwesens und der gehäuften Erfahrung einer eignen Klasse von Maschinenarbeitern die Geschwindigkeit und damit die Intensität der Arbeit naturwüchsig zunehmen." (Das Kapital - Wachsende Intensität maschineller Arbeit, s.390)


    marx konzentriert sich in seiner kritik auf die kapitalistische triebkarft der technik und beschreibt diese auch hinreichend - er hat damit in gewissen teilen aber auch die eigenheit des "manschinenwesens" (zitat) beschrieben. ich möchte mich mit meiner kritik halt auf diesen teil konzentrieren. damit blende ich nichts aus, sondern habe einen anderen fokus. wenn man mir fehlende kapitalismus-kritik bescheinigt, was ja ok ist, jedoch kann ich im umkehrschluss damit fehlende technik-kritik und fortschritts-gläubigkeit bescheinigen.

    Und dann stellt sich eben auch die Frage, wie man denn einen von den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen unabhängigen, bzw. rein theoretischen "Idealtypus" von Technik beschreiben wollen, und gleichzeitig konstatieren kann...

    ..., dass gesellschaftliche Verhältnisse entscheidend dafür seien, was aus der Technik werde?

    nennt sich wechselbeziehung oder relationales denken (so könnte man z.b. auch latour deuten) und marx hat es ja an gewissen stellen ganz gut selbst beschrieben (siehe oben). keine ahnung, villeicht ist es ja eine lösung wenn ich dir die entspr. stellen aus dem kapital herauszusuche, ihn scheinst du ja zu verstehen?

    Ist die Entwicklung von Technik(en) nun also ein neutrales "Mögliches", also vielleicht - wie oben erwähnt, bzw. von mir interpretiert - eine grundsätzliche Eigenschaft der menschlichen Spezies, welche allerdings erst im sozialen Zusammenspiel zu einem "Konkreten" und beobachtbaren wird und somit selbstverständlich im Hinblick auf eine ethische oder sonstige Bewertung ihrer Auswirkungen von der Art jenes Zusammenspiels und der durch es erschaffenen gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt ist?


    Oder ist "die Technik" ein eigenständiges Phänomen mit einer "Eigenlogik" die auch aus den jeweiligen sozialen Verhältnissen herausgelöst betrachtet und analysiert werden kann?


    Vielleicht bin ich zu doof das zu kapieren, aber es erscheint mir irgendwie als die entscheidenede Frage die man beantworten müsste, oder der man sich zumindest nicht entziehen sollte, wenn man irgendetwas relevantes zur Analyse eines "sozio-technischen" Systems beitragen wollte.

    keine ahnung, jedenfalls bist du ja nicht zu doof marx zu verstehen. also was genau meint er mit:

    "Es ist selbstverständlich, daß mit dem Fortschritt des Maschinenwesens und der gehäuften Erfahrung einer eignen Klasse von Maschinenarbeitern die Geschwindigkeit und damit die Intensität der Arbeit naturwüchsig zunehmen." (Das Kapital - Wachsende Intensität maschineller Arbeit, s.390)
    also er beschreibt hier nicht den kapitalistischen primat, sondern etwas "naturwüchsiges" im "fortschritt des maschinenwesens"?! :/


    [/edit] was ich damit sagen will und um die frage zu beantworten (vermutlich für dich nicht befriedigend, sorry): beides - wechselwirkung

  • Ich hatte schon Bruno Latour erwähnt. Ich finde, dass wenn man einen Ansatz sucht der die kulturelle Bedeutung einer bestimmten Technologie erklären soll, die Actor-Network Theorie vieles zu Tage fördern kann. Was in eurer Diskussion (von S3BU ?) versucht wird (die ich nur am Rande verfolgt habe), ist anscheinend eine große veralgemeinernde Theorie zu finden. Das halte ich für Zeitverschwendung weil da keine Erkenntnis dabei rauskommt.


    Man kann über die kulturelle Bedeutung des Autos reden oder die des Smartphones. Eine verallgemeinernde Theorie zu suchen die beide verbindet führt in den Wald.

    na dann, grüße aus dem wald. zum verständnis: ich versuche das kybernetische prinzip auf technische systeme anzuwenden und habe dieses im thread getestet bzw. praktiziert - kybernetik ist diese verallgemeinernde theorie welche mich gefunden hat.

  • Man kann über die kulturelle Bedeutung des Autos reden oder die des Smartphones. Eine verallgemeinernde Theorie zu suchen die beide verbindet führt in den Wald.

    Auto --> Mobilitätsmittel

    materie (stein, holz, bronze, eisen, stahl, blech, plastik)

    energie (mechanisierung: menschenkraft, wasserkraft, windkraft, pferdekraft, feuerkraft, elektrifizierung)

    information (analoge automatisierung->numerische kontrolle)

    Beobachtung 1.Ordnung (digitalisierung->virtualisierung*)

    Beobachtung 2.Ordnung (ki maschinelles lernen*)


    Smartphone --> Kommunikationsmedium

    materie (stein, holz, papier, bronze, eisen, stahl, blech, plastik, halbleiter)

    energie (mechanisierung: menschenkraft, wasserkraft, windkraft, feuerkraft, elektrifizierung)

    information (analoge automatisierung->numerische kontrolle)

    Beobachtung 1.Ordnung (digitalisierung->virtualisierung*)

    Beobachtung 2.Ordnung (ki maschinelles lernen*)


    das smartphone ist natürlich speziell, da es eine art kommunikations-medium ist. aber wenn man die geschichte der mobilitätsmittel und kommunikationsmedien beobachtet, lassen sich die artefakte mit diesem prinzip, welches natürlich noch sehr rudimentär und unvollständig ist, mmn greifen.

  • den strohmann habe ich dir ja mittlerweile erklärt.
    jetzt kannst du mir ja erklären warum die technik weiterhin wie bisher einer kapitalistischen wirtschaft überlassen werden sollte, anstatt sie mit der wissenschaft zu untersuchen und zu kritisieren, welche die gesellschaft aus welcher sie entsteht (und umgekehrt - wechselbeziehung) als gegenstand hat?


    [/edit] worin sich max horkheimer mit der instrumentellen vernunft und jürgen habermas mit technik und wissenschaft als ideologie (was er marcuse gewidmet hat), imo schon versucht haben. mein versuch beschäftigt sich mit der überlegung dieses mit der systemtheorie abbbilden zu können.

  • Maschinen stellen immer nur Güter her, die weniger Wert sind als sie selbst (ist bei Menschen anders, die schöpfe mehr als ihr eigener Verzehr von Lebensmitteln wert ist). Wie soll so neuer Profit generiert werden? Eine Maschine, die neuen Wert generiert (und nicht nur ihren eigenen abgibt), wäre ein perpetuum mobile, was unmöglich ist. Sollte es zur Automatisierung im gesellschaftlichen Maßstab kommen, dann hebt sich der Kapitalismus selbst auf.

    Das ist mMn eher falsch bzw nur dann richtig wenn man das einzelne Bauteil/Produkt betrachtet welches eine Maschine herstellt. Eine Maschine stellt aber nicht nur ein Bauteil her.


    Als Besitzer von 3D Druckern und einer CNC Fräse kann ich dir aber zu 100% sagen das eine Maschine ohne Probleme mehr Bauteile/Produkte erzeugen kann als sie selbst Wert ist, ob das jetzt nach 100 oder 1000 oder xxxxx Zyklen eintritt ist dabei erstmal egal, der Punkt ist das die Maschine das ohne Probleme machen kann...ohne Pausen, ohne Schlaf, 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche, eine Maschine ist in vielen Bereichen dem Mensch gegenüber meist deutlich im Vorteil.


    Wenn du sagst...

    ...(ist bei Menschen anders, die schöpfe mehr als ihr eigener Verzehr von Lebensmitteln wert ist)...

    ...dann ist das zwar auch nicht grundsätzlich falsch, trifft aber meiner Meinung nach eher auf eine Minderheit von Menschen zu, primär da wo noch sowas wie Kreativität und Abstraktion etc. gefragt ist, da ist der Mensch im Vorteil.


    Auf einen Fließbandarbeiter der immer das selbe macht und sonstige Menschen die in Produktionsbereichen/Dienstleistungsbereichen etc arbeiten (und das sind nicht wenige Menschen sondern die Mehrheit) trifft das schon länger nicht mehr richtig zu, es ist nur eine Frage der Zeit bis immer mehr Menschen für das aktuelle System komplett nutzlos werden.


    Für die weitere Entwicklung zum Thema Automatisierung sollte man sich z.B. mal folgendes Video angucken welches das ganze kurz grob zusammenfasst(da stecken laut Ersteller vom Video 900 Stunden Arbeit drin, nur falls sich jemand denkt das wäre ein dummes kleines Video und er wüsste es besser, bitte erst gucken):




  • Das ist mMn eher falsch bzw nur dann richtig wenn man das einzelne Bauteil/Produkt betrachtet welches eine Maschine herstellt. Eine Maschine stellt aber nicht nur ein Bauteil her.


    Als Besitzer von 3D Druckern und einer CNC Fräse kann ich dir aber zu 100% sagen das eine Maschine ohne Probleme mehr Bauteile/Produkte erzeugen kann als sie selbst Wert ist, ob das jetzt nach 100 oder 1000 oder xxxxx Zyklen eintritt ist dabei erstmal egal, der Punkt ist das die Maschine das ohne Probleme machen kann...ohne Pausen, ohne Schlaf, 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche, eine Maschine ist in vielen Bereichen dem Mensch gegenüber meist deutlich im Vorteil.


    Ja aber ich glaube, dass geht nur eine gewisse Zeit lang. Stell dir mal vor, du hast einen 3D-Drucker, der Maschinen herstellen kann, die mehr Wert sind als der Drucker selbst und die den 3D-Drucker reparieren können. Dann hättest du praktisch eine Maschine, die unendlich lange laufen kann, was schon allein aus physikalischen Gründen unmöglich ist. Jede Maschine, auch ein 3D-Drucker, verliert an Wert, wenn sie benutzt wird. Dafür muss man gar nicht die Arbeitswerttheorie von Marx bemühen, das nennt man auch Abschreibungen, die man heutzutage sogar von den Steuern seines Unternehmens absetzen kann. In der Menge kannst du vielleicht eine Zeit lang Produkte herstellen, die du für mehr Geld verkaufen kannst als du für die Maschine bezahlt hast, aber eben nur für kurze Zeit. Am Ende wirst du aber drauflegen, besonders wenn die Maschine teuer war, und mit Verbesserung der Technologie werden die 3D-Drucker auch teurer. 3D-Drucker kann man eher einsetzen, um seine eigene Produktivität zu erhöhen und um damit entweder Arbeiter zu ersetzen, wobei man dann Lohn einspart, oder um günstiger produzieren zu lassen und um damit die Konkurrenz im Preis zu unterbieten im Wettbewerb. Ein Unternehmen, dass nur noch 3D-Drucker und den Input dafür hat, kann auf Dauer nicht bestehen.

    Ok sagen wir du stellst mit deinem 3D-Drucker ein Produkt mit hoher Nachfrage her, dann würdest du etwas länger bestehen können. Aber ich glaube nicht, dass so eine ganze nationale oder globale Wirtschaft funktionieren kann.



    Wenn du sagst...

    ...dann ist das zwar auch nicht grundsätzlich falsch, trifft aber meiner Meinung nach eher auf eine Minderheit von Menschen zu, primär da wo noch sowas wie Kreativität und Abstraktion etc. gefragt ist, da ist der Mensch im Vorteil.


    Nee. Jeder Lohnarbeiter produziert mehr Wert (sagen wir in Geld) als er selbst für seinen Lebensunterhalt braucht, wenn er arbeitet. Gerade deswegen ist ja Profit möglich. Wenn er nur soviel herstellt, wie er selbst braucht, dann wäre das Subsistenzarbeit und kein Kapitalismus.

    Bei einem Fließband muss man beachten, was der Arbeiter insgesamt während seiner Arbeitszeit hergestellt hat, die Menge.

    Einmal editiert, zuletzt von JonnyMadFox ()

  • jetzt kannst du mir ja erklären warum die technik weiterhin wie bisher einer kapitalistischen wirtschaft überlassen werden sollte, anstatt sie mit der wissenschaft zu untersuchen und zu kritisieren, welche die gesellschaft aus welcher sie entsteht (und umgekehrt - wechselbeziehung) als gegenstand hat?

    Aber nur wenn Du mir erklärst, warum Du mir...


    1. ...nach all den langatmigen Pamphleten, die ich hier und im anderen Forum in den letzten Jahren schon gegen die behauptete Alternativlosigkeit der kapitalistischen Gesellschaft und gegen die damit einhergehende Technokratisierung verfasst habe, immer noch unterstellen willst, ich fände es in Ordnung, "Die Technik" (da ist sie wieder) der kapitalistischen Wirtschaft zu überlassen, und...


    2. ...wozu eine kritische Untersuchung "der Technik" nutzen soll, wenn sie sich hauptsächlich damit beschäftigt, zunächst überhaupt mal zu definieren, was diese Sache eigentlich genau sei und welche "Eigenlogik" ihr innewohne, die man mit dem Rest des gesellschaftlichen Denkens und Handelns in eine klar beobachtbare Wechselbeziehung zu stellen beabsichtigt.


    Es mag ja sein, dass man sich das mit Luhmann und seiner Systemtheorie der Teilsysteme in der Theorie irgendwie eigenlogisch zurecht legen kann, indem man "Die Technik" einfach erst mal zu einem jener sich selbst erschaffenden und erhaltenden Teilsysteme erklärt und dann nur noch dessen wechselwirkende "Kommunikation" mit anderen, gleichsam als autopoietisch behaupteten, gesellschaftlichen Teilsystemen, wie z.B. "Der Wirtschaft" betrachtet.


    Mit Marx kann man das allerdings so gar nicht begründen.

    marx konzentriert sich in seiner kritik auf die kapitalistische triebkarft der technik und beschreibt diese auch hinreichend - er hat damit in gewissen teilen aber auch die eigenheit des "manschinenwesens" (zitat) beschrieben.



    Wenn er in Deinem Zitat aus dem 1. Band des Kapitals davon spricht, es sei...


    [...] selbstverständlich, daß mit dem Fortschritt des Maschinenwesens

    und der gehäuften Erfahrung einer eignen Klasse von Maschinenarbeitern

    die Geschwindigkeit und damit die Intensität der Arbeit naturwüchsig zu-

    nehmen


    ..., dann kann man daraus nicht einfach im Umkehrschluss ableiten, dass er der Ansicht gewesen sei, dem "Maschinenwesen" selbst wohne ein tatsächliches "Wesen" inne, welches von den Verhältnissen einer kapitalistischen Gesellschaft mit einer "Klasse von Maschinenarbeitern" unabhängig existiere - Vor allem dann nicht, wenn man den sehr umfangreichen Rest des dreizehnten Kapitels, der vor und nach diesem einen zitierten Satz geschrieben steht, auch noch in seine Marx-Exegese mit einbezieht.

    Darin (und im 12. Kapitel) wird völlig klar gestellt, dass Marx seine Betrachtungen auf die konkreten, damals herrschenden Verhältnisse bezieht und gar nicht den Versuch unternimmt, seine Einlassungen zur "großen Industrie" - also zur systematischen Steigerung der Profite privater Industrieunternehmen mittels Technik und nicht zu "Der Technik" im allgemeinen - und zum von ihr eingesetzten Maschinen-"Wesen" auch auf andere Formen der gesellschaftlichen Ordnung zu übertragen.


    Auch zehn Jahre vorher schrieb er schon etwas knapper zur Entstehung und Rolle des Maschinenwesens:


    Die Aneignung der lebendigen Arbeit durch das Kapital erhält in der Maschinerie auch nach dieser Seite hin eine unmittelbare Realität: Es ist einerseits direkt aus der Wissenschaft entspringende Analyse und Anwendung mechanischer und chemischer Gesetze, welche die Maschine befähigt, dieselbe Arbeit zu verrichten, die früher der Arbeiter verrichtete. Die Entwicklung der Maschinerie auf diesem Weg tritt jedoch erst ein, sobald die große Industrie schon höhere Stufe erreicht hat und die sämtlichen Wissenschaften in den Dienst des Kapitals gefangengenommen sind; andererseits die vorhandene Maschinerie selbst schon große Ressourcen gewährt. Die Erfindung wird dann ein Geschäft und die Anwendung der Wissenschaft auf die unmittelbare Produktion selbst ein für sie bestimmender und sie sollizitierender25 Gesichtspunkt. Dies ist aber nicht der Weg, worin die Maschinerie im Großen entstanden ist, und noch weniger der, worin sie im Detail fortschreitet. Dieser Weg ist die Analyse – durch Teilung der Arbeit, die die Operationen der Arbeiter schon mehr und mehr in mechanische verwandelt, so dass auf einem gewissen Punkt der Mechanismus an ihre Stelle treten kann. (Ad economy of power.26) Es erscheint hier also direkt die bestimmte Arbeitsweise übertragen von dem Arbeiter auf das Kapital in der Form der Maschine und durch diese Transposition sein eigenes Arbeitsvermögen entwertet. Daher der Kampf der Arbeiter gegen die Maschinerie. Was Tätigkeit des lebendigen Arbeiters war, wird Tätigkeit der Maschine. So tritt dem Arbeiter grob-sinnlich die Aneignung der Arbeit durch das Kapital, das Kapital als die lebendige Arbeit in sich absorbierend – „als hätt’ es Lieb’ im Leibe“27 – gegenüber.


    Durch die Automatisierung wird der arbeitende Mensch natürlich zum reinen Zuarbeiter der Maschine gemacht. Aber zu einer bewusstseinsverändernden, die Menschen dem Maschinen-"Wesen" unterwerfenden Kraft wird die Maschinenarbeit erst dadurch, dass sie ihnen nicht zur Arbeitserleichterung, oder gar zur Befreiung von zur Reproduktion und sozialen Teilhabe nötiger Arbeit dient, sondern zum alleinigen Zweck der relativen Verbilligung ihrer Arbeitskraft für den Maschineneigentümer.

    Anstatt also zu sagen: "Hurra, wir brauchen jetzt gegenüber der alten Handwerksarbeit nur noch ein Hundertstel der Arbeitszeit mühsam damit zu verbringen, Baumwolle zu Garn, Garn zu Stoffen und Stoffe zu Kleidung zu machen, die wir benötigen, um nicht zu erfrieren oder hübsch auszusehen,"

    sagt man:" wir können jetzt in der selben Arbeitszeit und zum selben - oder gar zum geringeren, weil für weniger knappe, weniger hoch qualifizierte Arbeitskräfte zu zahlenden - Stundenlohn, hundertmal mehr Textilwaren herstellen, sie in aller Herren Länder exportieren, und damit bei gleichen Lohnkosten hundertmal mehr Umsatz und auch viel mehr Profit machen, sobald sich die Anschaffungskosten für das Maschinenkapital amortisiert haben."


    Als "naturwüchsig" beschreibt Marx nur den Schein, welchen diese Verhältnisse gegenüber den in ihnen lebenden und arbeitenden Menschen annehmen. Sie erscheinen den Menschen alternativlos, als Resultat natürlicher Gesetzmäßigkeiten, als seien sie auf natürlichem Wege gewachsen und daher als unabänderlich hinzunehmen.

    Er hat aber niemals ernsthaft und begründet "Die Technik" oder "Das Maschinenwesen" an sich als ein eigenständiges, von ihrer Anwendung zur Produktivitätssteigerung, Arbeitskraftverbilligung und Mehrwertproduktion für seine privaten EigentümerInnen losgelöstes Phänomen, oder gar als etwas "naturwüchsiges" behauptet.


    Wenn man nun aber versucht, "die Technik" von ihren unzähligen möglichen, oder jeweils konkreten aktuellen und historischen Erscheinungsformen und Anwendungen zu trennen, und als eigenständigen allgemeinen Forschungsgegenstand zu betrachten, nur um sie anschliessend per "relationalem Denken" in ein gleichsam allgemeines Verhältnis zu den Menschen und ihren sozialen Verhältnissen zu setzen, dann betreibt man eigentlich das Gegenteil einer Aufklärung über jene Verhältnisse. Dann abstrahiert man alle wie auch immer gearteten, und schon immer an einen jeweiligen Zweck gebundenen Techniken von ihrem tatsächlichen Einsatz und schafft ein theoretisches Konstrukt, welches im Grunde nicht anders funktioniert, als etwa eine mathematische Formel, die man vielleicht zur Erklärung der Spaltung von Atomkernen braucht, die aber nichts darüber aussagt, ob die Atomkerne gespalten werden, um damit elektrische Energie zu gewinnen, oder um damit Millionestädte in Schutt und Asche zu legen.

    Dann trennt man als Soziologe "Die Technik" eigentlich in ganz ähnlicher Weise von ihrem konkreten sozialen Zusammenhang, und von den spezifischen Relationen, die das "relationale Denken" eigentlich ergründen will, wie ein Ökonom "Die Wirtschaft" davon trennt, und als eigenständiges soziales (Teil-)System mit eigenen, allgemeinen Gesetzmäßigkeiten behandelt, welche jenseits aller Ideologie eine Gültigkeit haben, gegen die man auch mit dem Verfassen oder lesen dicker ideologie- oder gesellschaftskritischer Wälzer nichts ausrichten kann.

  • Ich muss dazu nochmal nachhaken. Ich kapier da gar nix. Soll das irgendwas aussagen?

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