#492 - Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

  • Ich mache keine Milchmädchen - Rechnung, wenn ich frage wohin 450000 tausend Euro im Monat fließen, bei 150 Pflegeplätzen und damit anzweifele, dass nicht besser bezahlt werden kann bzw. nicht mehr Leute für diverse arbeiten eingestellt werden könnten, ohne das nicht auch die Betreiber gesund und ordentlich leben könnten.

  • Ich mache keine Milchmädchen - Rechnung, wenn ich frage wohin 450000 tausend Euro im Monat fließen, bei 150 Pflegeplätzen und damit anzweifele, dass nicht besser bezahlt werden kann bzw. nicht mehr Leute für diverse arbeiten eingestellt werden könnten, ohne das nicht auch die Betreiber gesund und ordentlich leben könnten.

    Doch, tust Du.

    Du betrachtest einseitig die Einnahmeseite und hast von der anderen keine Ahnung. Das ist so ziemlich die Definition einer Milchmädchenrechnung.


    Und versteh' mich da bitte nicht falsch, ich behaupte nicht, dass in dem konkreten Fall nicht vielleicht reichlich Gewinn gemacht wird. Das kann sein. Allein von der Einnahmeseite darauf zu schließen, ohne von der Ausgabeseite irgendeine Ahnung zu haben, ist aber einfach albern.
    Mehr sage ich dazu jetzt auch nicht mehr.

  • Deshalb frage ich nach der Sichtbarmachung der Ausgabenseite und der betriebwirtschaftlichen Auswertungen, die kaum zu finden sind. Du nennst da ja auch nichts konkretes sondern beklagst das es auch Ausgaben gibt, na ja welche und wofür bitte, frage ich ?

    Das Problem daran ist doch, dass Du Dein Urteil schon gefällt hast, bevor Du irgendwelche Zahlen gesehen hast.

    Wenn es keine AG ist, wirst Du von denen selbstverständlich keine G&V-Rechnung sehen. Warum auch? Die siehst Du von Deinem Bäcker um die Ecke ja auch nicht. Das ist Betriebsgeheimnis und die Veröffentlichung wäre natürlich ein Schuss ins eigene Knie.

    Du musst ja Deine Oma/Eltern nicht in das Heim stecken, wenn Dir das zu suspekt ist, pflege sie halt selbst zuhause. Ist ja anscheinend alles kein Problem.

  • Na dann brauche ich mir das gejammere der Betreiber um fehlende Pflegekräfte auch nicht anhören, können ja besser bezahlen. Mein Bäcker jammert auch nicht. Außerdem leben die Bäcker nicht von staatlichen transfer Geldern, wie die Altenheimbetreiber in großen Teilen, die ich von denen schlecht genuzt sehe. Das ist ja gerade das Prpblem, dass ich das System der privat organisiertden Altenpflege mit der Hilfe von staatlichen Geldern und das einseitige Gejammere für unglaubwürdig halte und auch den Import von Pflegekräften für volkswirtschaftlich und menschlich falsch.

  • Also auch ohne zu wissen, was da an Ausgaben getätigt wird, stelle ich mal die kühne Behauptung auf, dass kein privates Unternehmen lange Bestand haben wird, bei dem die Einnahmen die Ausgaben nicht in einer Weise übersteigen, die seinen EigentümerInnen einen Profit aus ihrem privaten Unterehmenseigentum ermöglicht.

  • Darum geh es mir nicht, ich frage nach der Höhe der Gewinne und ob Alten und Gesundheitsumsorgung sinnvoll auf maximalen Gewinn ausgerichtet sein sollte bzw. dies geduldet wird Ob hier nicht andere Werte im Vordergrund stehen sollten und was eigentlich los ist in einer Gesellschaft die Gesundheit und Umsorgung von Menschen an Gewinn orientiert bzw. diese Bereiche wirtschaftlich ausrichtet.

  • ...und was eigentlich los ist in einer Gesellschaft die Gesundheit und Umsorgung von Menschen an Gewinn orientiert bzw. diese Bereiche wirtschaftlich ausrichtet.

    Nennt sich Kapitalismus, ist nicht neu und vollkommen normal für dieses System jegliche Lebensbereiche dem Zwang der ökonomischen Verwertung zu unterwerfen.


    Wenn man das nicht will muss man das System allgemein kritisieren und ändern, problematisch ist dieses auf "unendliches Wachstum" ausgelegte System nämlich generell in vielen Bereichen, sieht man ja am Problem mit dem Klima bzw dem Zusammenbruch von immer größeren Teilen vom Ökosystem oder immer mehr Menschen die in Armut leben (egal ob ohne oder mit Arbeit) etc.


    Deine Frage müsste sich also nicht nur auf einen Bereich beschränken sondern das komplette System hinterfragen, denn die Frage ist, was ist los mit einer Gesellschaft in der die Mehrheit der Menschen diese Probleme seit Jahren und Jahrzehnten in allen Bereichen ignorieren?


    Edit: Kurze Einleitung dazu von Volker Pispers:

  • Sehe ich nicht so generell, war ja mal anders, vor der neoliberalen Wende und vor den "Reformen", als der materielle Wohlstand oder von mir aus auch die Teilhabe an positiven materiellen gesellschaftlichen Veränderungen gleichmäßiger verteilt war, also etwa von den 50igern bis zu den 80igern der Republik. Warum manchen nichts anderes im Leben einfällt als ihr materielles Vermögen extremst zu mehren, gibt ja noch andere schöne Dinge im Leben als Konsum, und nicht verstehen, dass auch dies auf dem "long run" nur möglich ist, wenn alle Teile der Gesellschaft daran teilhaben, muss ja auch an gesellschaftlichen Werten und Wertevermittlung, Erziehung, Schule, liegen. Ein paar Spinner, die meinen jedes Jahr um mehr als 20% Eigenkapitalrendite machen zu müssen gab es wohl schon immer, solange die nicht den Ton bestimmen, so what.

    Wenn der Kapitalismus im Gewand der sozialen Marktwirtschaft daher kommt sehe ich keine großen Probleme, die haben wir nur nicht mehr.

  • Sehe ich nicht so generell, war ja mal anders...

    Nein, es war nie wirklich anders, es gab nur Kriege oder Krisen die zu einer Art Reset/Reboot geführt haben, danach funktionierte der Kapitalismus kurzfristig wieder, diese Zeitspanne ist das was du als "vor der neoliberalen Wende" siehst, du betrachtest sehr selektiv nur einen kleinen Zeitraum, aber in Wahrheit hat es nie funktioniert sonder immer nur temporär bis zu der nächsten Krise.

    Wenn der Kapitalismus im Gewand der sozialen Marktwirtschaft daher kommt sehe ich keine großen Probleme, die haben wir nur nicht mehr.

    Es gibt keine soziale Marktwirtschaft, du beschäftigst dich nicht mit dem Thema und glaubst an Propaganda welche von so PR-Organisationen wie dem INSM verbreitet werden:

    Verwendung des Schlüsselwortes Soziale Marktwirtschaft

    Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Claus Leggewie ist das Ziel der INSM weniger „soziale“ Marktwirtschaft als vielmehr „kapitalistische freie Marktwirtschaft“. Nach Ansicht des Journalisten Thomas Leif gehe es der INSM im Kern um „die Flankierung von Wirtschaftsinteressen durch PR-Maßnahmen“. Rudolf Speth sieht in einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung die INSM in der Tradition des Verbandes „Die Waage“.

    Nach sprachwissenschaftlicher Analyse von Martin Wengeler könne die Verwendung des Schlüsselwortes Soziale Marktwirtschaft im Namen der INSM „im Diskurszusammenhang nur als Versuch gewertet werden […], den ‚Begriff‘ im eigenen, wirtschaftsliberalen Sinn […] zu besetzen“.

    Guck dir das Video von Volker Pispers nochmal an, sind nur 2 Minuten.

    Du tust genau das was er dort sagt, du glaubst so fest an den Kapitalismus wie andere Menschen an Religionen glauben:

  • Klingt mir irgendwie etwas neben der Spur, alle die die sozilae Marktwirtschaft seit Adenauer bis Kohl verteidigt haben, haben sicher an die geglaubt, und auch andere, später geborene..Was der NSM da meint oder vertritt ist ja etwas enderes, hier soll ja wohl Begriffsumdeutung durchgesetzt werden, wie du ja selbst zitierst:


    Nach sprachwissenschaftlicher Analyse von Martin Wengeler könne die Verwendung des Schlüsselwortes Soziale Marktwirtschaft im Namen der INSM „im Diskurszusammenhang nur als Versuch gewertet werden […], den ‚Begriff‘ im eigenen, wirtschaftsliberalen Sinn […] zu besetzen“.

    Vielleicht sollte man die ursprüngliche Beseutung des Begriffs anknüpfen, die Schlagworte


    Kapitalismus, Sozialismus und was weiß ich für ein ismus sind doch inhaltlich längst so vergewaltigt, dass man die Begriffe oft nur noch benuzt um andere mit Dreck zu bewerfen, von dem bekanntlich immer etwas kleben bleibt.

  • Klingt mir irgendwie etwas neben der Spur, alle die die sozilae Marktwirtschaft seit Adenauer bis Kohl verteidigt haben, haben sicher an die geglaubt, und auch andere, später geborene..Was der NSM da meint oder vertritt ist ja etwas enderes, hier soll ja wohl Begriffsumdeutung durchgesetzt werden, wie du ja selbst zitierst:

    "Soziale Marktwirtschaft" war eigentlich ein PR-Slogan des cdU-Wirtschaftsministers Ludwig Erhard, um beim Aufbau der deutschen Nachkriegswirtschaft den Ordoliberalismus - eine leicht abgeschwächte deutsche Variante des Neoliberalismus - als wirtschaftspolitische Doktrin durchzusetzen und die allgemeine Kritik am Kapitalismus einzudämmend, die sich nach dem Krieg unter der zum Teil tatsächlich hungernden und frierenden Bevölkerung breit zu machen drohte.


    Streng genommen war die "neoliberale Wende", die in Deutschland mit einiger Verspätung erst nach der Wiedervereinigung so richtig in Gang kam, gar keine wirkliche Wende in der grundsätzlichen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, sondern vor allem eine Befreiung der Politischen Klasse - insbesodere ihres in dieser Hinsicht dem westlichen Zeitgeist noch etwas hinterher hinkenden sozialdemokratischen Teils - von der Idee, man müsse sich die kapitalistische Marktwirtschaft per propgandistischer Umfirmierung in "soziale Marktwirtschaft" als soziales Instrument zur Schaffung von Wohlstand für Alle™ [->PDF] schön reden, während man eigentlich schon seit Erhards Zeiten nichts anderes getan hatte, als dem Kapital die bestmöglichen Wettbewerbsbedingungen zu bereiten und darauf zu hoffen, dass dabei aus den privaten investitionen in den Wirtschaftsstandort schon ausreichend Profit erwachsen würde, um davon genug nach unten an die arbeitende Bevölkerung durchtröpfeln zu lassen, damit letztere nicht auf irgendwelche sozialistischen Gedanken komme.


    Großzügig unterstützt wurde dieses Projekt von der Anschubfinanzierung der deutschen Nachkriegswirtschaft durch das Eropean Recovery Program (a.k.a "Marshall Plan") das die Siegermacht USA und ihre westlichen Alliierten auch mit dem Gedanken aufgesetzt hatten, ihren eigenen Unternehmen einen kaufkräftigen Absatzmarkt in der Mitte Europas zu erschliessen. Ideologisch befeuert wurde es zusätzlich von dem unbedingten Abgrenzungsbedürfnis der westlichen Demokratien gegen die staatssozialistische Sowjetunion und ihr teildeutsches Aushängeschild DDR, gegen welches vor allem die BRD als Bollwerk an der Ostfront der kapitalistischen Weltordnung die Stellung zu halten hatte.


    Unbestreitbar waren die Lohnzuwächse zwischen Ende der 50er und Anfang der 70er Jahre in Westdeutschland erheblich größer als heute, aber auch die Profite der privaten Unternehmen wuchsen in der Zeit des sogenannten "Wirtschaftswunders" trotz deutlich höherer Besteuerung und Arbeitgeberbeteiligung an der Sozialversicherung munter weiter.

    Dass "der kleine Mann" in dieser Zeit auch als einfacher Arbeiter oder Angestellter durchaus einen eigenen bescheidenen Wohlstand ansparen konnte, lag aber nicht am herausragenden sozialen Gerechtigkeitsbedürfnis der deutschen Nachkriegspolitik, sondern vor allem daran, dass eigentlich alle westlichen Nationen in der Phase des Wiederaufbaus ein - im Vergleich zu heute - gewaltiges Wirtschaftswachstum verzeichnen konnten.

    Im Nachbarland Frankreich z.B. funktionierte das trotz einer deutlich mehr an "sozialistischer" Staatsintervention und zentralisierten Planvorgaben ausgerichteten Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht schlechter als in der BRD.

    Hinzu kommt, dass die zuvor in allen beteiligten Ländern massiv vom Staat dominierte Kriegswirtschaft eine Menge an technischen Innovationen forciert hatte, die in der Nachkriegszeit dann auch für private Haushalte große Steigerungen des Lebensstandards hervorbrachten und für die Unternehmen neue Vermarktungsmöglichkeiten entstehen ließen.


    Das Problem an der ganzen Sache ist und war, dass sich das Wirtschaftswachstum in einer endlichen Welt nicht endlos steigern lässt. Irgendwann sind Märkte gesättigt und der private Konsum lässt sich nur noch mithilfe immer größerer Investition von Umsätzen in Marketing und Werbung für "neue" Produkte weiter anheizen. Eine wachstumslose kapitalistische Marktwirtschaft funktioniert allerdings nicht. Alle Investitionen, die in ihr getätigt werden, müssen am Ende mehr erwirtschaften als sie gekostet haben - und zwar in solchem Ausmaß, dass dabei nicht nur Gewinne für die privaten Unternehmer abfallen die sie tätigen, sondern auch der "Kapitaldienst", also die Kosten der Finanzierung durch Banken, Risikokapitalgeber oder Käufer von Unternehmensanleihen bedient werden kann, weil sonst die Kreditvergabe stockt und das ganze Casino pleite geht, weil die Bank kein Spielgeld mehr ausgeben kann. Gleichzeitig müssen Aktienkurse mindestens stablil bleiben oder steigen, damit die AnteilseignerInnen sie nicht an die Konkurrenz verkaufen.


    Der Kern der deutschen Wirtschaftspolitik war dabei schon immer der Wettbewerb. Deren ursprünglich neoiberale, und dann später als "ordoliberal" firmierende Vordenker waren zwar etwas geneigter, dem Staat eine gewisse Umverteilung der primärern Erträge an die Nicht-EigentümerInnen der Produktionsmittel über Steuern und Sozialabgaben zu erlauben als ihre neoliberalen Kollegen aus Österreich und den USA, aber auch für Ludwig Erhards ökonomischen Beraterstab war der größtmögliche marktwirtschaftliche Wettbewerb der Quell allen Fortschrittes und Wohlstandes und somit das entscheidende Kriterium für die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, und nicht die möglichst gerechte Verteilung der volkswirtschaftlichen Erträge.

    Und genau das: der Wettbewerb als jeglicher staatlichen oder sonstigen Planung weit überlegenes, ideologisch neutrales und quasi-natürliches Instrument zur größtmöglichen Effizienz und Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft - ist und war schon immer der gemeinsame Nenner auf den sich alle Spielarten des Neoliberalismus einigen konnten.


    Das bekloppte daran ist, dass im Kapitalismus auf längere Sicht jeder Wettbewerber sein Möglichstes dafür tun muss, um sich die Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Und in einer neoliberalen, kapitalistischen Marktwirtschaft wird der Staat als oberster Beförderer jenes gnadenlosen Konkurrenzkampfes immer von den mächtigsten Wettbewerbern dazu erpresst, ihnen die günstigsten Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Damit macht sich eine Politik, die - wie alle deutschen Regierungen seit Ende des 19. Jahrhunderts - am Fortbestand der kapitalistischen Marktwirtschaft festhält, letztendlich zum Geburtshelfer monopolistischer Strukturen, die alle Wettbewerber entweder vernichten, oder unter ihre Knute zwingen und damit die Grundlage für genau den Wettbewerb zerstören, dessen Beförderung sich die neoliberale Ideologie auf die Fahnen schreibt.


    Und das gilt selbstverständlich auch für die kapitalistische Gesundheits-Marktwirtschaft und für den obersten Gesundheitswirtschaftsvertreter im Bundeskabinett.


    [Edit/ P.s.: weiterführendes zur INSM: Die politischen Strategien der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Hans Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 96 (->PDF) /Edit]

  • Danke dafür, aber .... was heißt dies nun und waren die 60er, 70er und 80er nur ein ausrutscher ?

    und alle wollen nur mehr Geld oder einige wollen nur mehr Geld, klingt mir immer noch zu platt ? muss das von genannte Ppier erstmal lesen.

  • eins noch, wenn alle an der Steigerung der Produktivität und des "Wohlstandes" teilhaben ist dies ja nichts schlechtes, denke ich, was ja in der alten BRD in großen Teilen so war, war jedenfalls keine Illusion oder ist dir, UTAN , dies zu einfach und die Leute sahen ihr Elend nicht obwohl es ihnen nach und nach "besser" ging ?

  • ist dir, UTAN , dies zu einfach und die Leute sahen ihr Elend nicht obwohl es ihnen nach und nach "besser" ging ?

    Ich bestreite gar nicht, dass es den Leuten damals immer besser ging. Ich bestreite, dass das irgendwas mit der sogenannten "sozialen Marktwirtschaft" zu tun hatte, weil es eigentlich vor allem das Resultat eines allgemein hohen Wirtschaftswachstums auf beiden Seiten des Atlantiks (und in Japan) war.

    Dieses Modell ist halt dann erwartungsgemäß gescheitert, als sich das kapitalistische Wachstum nicht mehr länger in gewohnter Form steigern ließ. Die neoliberale "Wende" war nur die konsequente Reaktion der Politik auf diesen Umstand und wurde natürlich tatkräftig von diversen wirtschaftsnahen Thinktanks und Unternehmerverbänden befeuert, die den Staat schon immer dazu instrumentiert hatten, ein möglichst günstiges Investitionsklima für die Kapitalanlagen ihrer Klientel zu schaffen. Als das mit Keynes nicht mehr ging, hat man es eben mit Hayek und Friedmann versucht


    Allerdings - Selbst heute, wo die Wohlstandszuwächse der "Wirtschaftswunder"-Zeit für die breite Masse nicht mehr statt findet, sind wir hier im goldenen Westen - und insbesondere auf der deutschen Insel der Glückseeligen Exportüberschussweltmeister - immer noch vergleichsweise sehr wohlhabend, wenn man sich den Rest der Welt ansieht.

    Der ganze Wohlstand ist und war ohnehin noch nie "für Alle", sondern halt nur für Leute die das Glück hatten, in einer demokratischen westlichen Industrienation aufzuwachsen und nicht im weitaus bevölkerungsreicheren Rest der Welt, wo für unseren Wohlstand nach wie vor ein gnadenloser Raubbau an Mensch und Natur betrieben wird.

    Auch das ist überhaupt kein neues Phänomen. Der organisierte Welthandel - inlusive militärisch unterstützter Öffnung von Absatz- und Rohstoffmärkten - war eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass sich der Kapitalismus überhaupt zu seiner heutigen Form entwickeln konnte. Und alle kapitalistischen Länder in Europa und Nordamerika waren schon Profiteure der "Globalisierung", bevor dieses Wort überhaupt erfunden wurde.

  • ich behaute mal, dass es an der Teilhabe am "Wachstum" lag, "dass es den Leuten damals immer besser ging" und dies auch die Ursache "Teilhabe" für das hohe "Wachstum" war. Diese Teilhabe wurde durch die neoliberale Wende, wie ich dies jetzt mal nenne, abgeschnitten, Stichwort schrödersche "Reformen". Deshalb geht die sogenannte Schere auseinander. Nicht etwa wie s.u.

    ch bestreite gar nicht, dass es den Leuten damals immer besser ging. Ich bestreite, dass das irgendwas mit der sogenannten "sozialen Marktwirtschaft" zu tun hatte, weil es eigentlich vor allem das Resultat eines allgemein hohen Wirtschaftswachstums auf beiden Seiten des Atlantiks (und in Japan) war.

    Dieses Modell ist halt dann erwartungsgemäß gescheitert, als sich das kapitalistische Wachstum nicht mehr länger in gewohnter Form steigern ließ. Die neoliberale "Wende" war nur die konsequente Reaktion der Politik auf diesen Umstand und wurde natürlich tatkräftig von diversen wirtschaftsnahen Thinktanks und Unternehmerverbänden befeuert, die den Staat schon immer dazu instrumentiert hatten, ein möglichst günstiges Investitionsklima für die Kapitalanlagen ihrer Klientel zu schaffen. Als das mit Keynes nicht mehr ging, hat man es eben mit Hayek und Friedmann versucht


    wir zerstören alles in nem weltkrieg und erzählen dann was vom wirtschaftswunder wenn menschen danach wieder alles aufbauen und es ihnen nach und nach besser geht....hab ich nie verstanden. :S

    ein vorausgehender Krieg, als Voraussetzung für Wachstum, wie S3BU meint. Das es mit Keynes nicht mehr ging, ist mir auch zu einfach. Es wurde ein Modell umgesetzt, "reformiert", weil nicht tiefer und komplexer gedacht wurde und dies auch am leichtesten durchzusetzen war. Ich könnte auch sagen, die Angebotsseite hat sich gegenüber den an der Nachfrage ausgerichteten Wirtschaftmodellen durchgesetzt, auch weil sie den vordergründigen Interessen, etwa der "Finanzindustrie", entgegen kam. Außerdem ließ sich mit den "Reformen" kurzfristig blendend Kasse machen, im "long run" funktioniert dies natürlich nicht, aber who cares über den long run, wenn man um die 50 ist, siehe Klima. Was nicht heißt, das dies sinnvoll war oder ist, ich behaupte sogar, dass die am Angebot ausgerichteten neoliberalen Wirtschaftsmodelle unlogisch und sachlich nachweislich falsch sind. Oder anders formuliert, wer kein Geld hat, kann auch nichts kaufen, oder um Herrn Ford zu zitieren "Autos kaufen keine Autos".

  • Ich könnte auch sagen, die Angebotsseite hat sich gegenüber den an der Nachfrage ausgerichteten Wirtschaftmodellen durchgesetzt, auch weil sie den vordergründigen Interessen, etwa der "Finanzindustrie", entgegen kam. Außerdem ließ sich mit den "Reformen" kurzfristig blendend Kasse machen, im "long run" funktioniert dies natürlich nicht, aber who cares über den long run, wenn man um die 50 ist, siehe Klima. Was nicht heißt, das dies sinnvoll war oder ist, ich behaupte sogar, dass die am Angebot ausgerichteten neoliberalen Wirtschaftsmodelle unlogisch und sachlich nachweislich falsch sind. Oder anders formuliert, wer kein Geld hat, kann auch nichts kaufen, oder um Herrn Ford zu zitieren "Autos kaufen keine Autos".

    Das mit den Autos ist natürlich eine alte Binse. Allerdings muss man auch dazu sagen, dass der gute Herr Ford, bzw. der "-ismus", welcher im Rückblick dann nach ihm benannt wurde, keineswegs Ausdruck einer besonders "sozialen" Marktwirtschaft war, sondern eher eine Strategie des Kapitals, sich die nach dem 1. Weltkrieg - und insbesondere nach der Weltwirtschaftskrise 1928/29 - überall wieder aufkommenden sozialistischen und kommunstischen Arbeiterbewegungen vom Hals zu schaffen, indem man den abhängig Beschäftigten unter der Prämisse ordentlich die Löhne erhöhte, sich fortan mit weiteren Streiks und allzu revolutionären Forderungen zurück zu halten und sich statt dessen einen schönen Arbeitsethos nebst angemessener Dankbarkeit gegenüber ihren Arbeitsplatzeigentümern anzueignen.


    In Deutschland - wo schon der alte Fürst Bismarck die Rentenversicherung nicht erfunden hatte, um den armen ArbeiterInnen einen geruhsameren Lebensabend zu ermöglichen, sondern um den zu seiner Zeit noch deutlich sozialistischer gestimmten Sozialdemokraten Wählerstimmen abzujagen - hat sich dieses Prinzip vor allem nach dem Zivilisationsbruch der Nazizeit besonders stark etabliert und den erst heute ganz almählich brüchig werdenden Mythos von der "sozialen Marktwirtschaft" als einer größtenteils klassenlosen Gemeinschaft von arbeitgebenden und arbeitnehmenden StaatsbürgerInnen begründet, welche - gemäß der Legende - doch letztendlich alle gemeinsam an einem Strang zögen, um die deutsche Volkswirtschaft international wettbewerbsfähig zu halten und dem sie bewirtschaftenden Volk somit einen ordentlichen Wohlstand zu verschaffen.


    Im internationalen Vergleich waren die deutschen Löhne allerdings schon zu Beginn des sogenannten "Wirtschaftswunders" gar nicht so wahnsinnig hoch, und es waren vor allem die nach dem Krieg durch den schnellen Wiederaufbau der alten Industriebetriebe mit moderner Technik sehr großen Produktivitätsfortschritte, die die deutschen Lohnstückkosten vergleichsweise niedrig hielten. Da wo das nicht so gut ging, scheute die freiheitlich-demokratische Westwirtschaft später auch nicht davor zurück, beim staatskapitalistischen sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat hinter der Mauer nebenan produzieren zu lassen (wo man die Devisen aus dem Geschäft mit dem Klassenfeind natürlich gerne annahm, um wiederum mehr heißbegehrte Westware importieren zu können.)


    Im Gegensatz zum amerikanischen Fabrikanten Ford, hatten deutsche Industrieverbandschefs und ihnen gewogene Wirtschaftsminister nämlich schon recht bald erkannt, dass es für die Wachstumsquote des Bruttoinlandsproduktes einigermaßen egal ist, ob die in der Heimat produzierten Autos, Waschmaschinen, oder Lenkwaffenkontrollsysteme von heimischen VerbraucherInnen käuflich erworben werden, oder ob dafür irgendwelche AusländerInnen in die Tasche greifen müssen. Das schöne westdeutsche Wirtschaftswachstum wurde dann auch während der sechziger Jahre zunehmend mit dem Export von allerlei Industrieprodukten Made In Germany™ in den Rest der Welt erzeugt, so dass Die BRD schliesslich in den Siebzigern sogar die USA in Sachen Exportquote überflügelte (und maßgeblich dazu beitrug, den Dollar als weltweite, goldgedeckte Leitwährung zeitweise schwer in die Bredouille zu bringen).


    Das Prinzip der stetigen Optimierung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit für die heimische Wirtschaft trat dabei zunehmend gegenüber dem Prinzip der Stärkung der Binnennachfrage durch steigende Arbeitslöhne in den Vordergrund, um das Kapital nicht mit allzu hohen Löhnen und "Lohnnebenkosten" zu belasten und es somit davon abzuhalten, sich in anderen Ländern zu investieren.

    Der nachfrageorientierte Keynesianismus hatte im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern in Westdeutschland ein eher kurzes Gastspiel und wurde erst ab Ende der 60er Jahre von SPD-Wirtschaftspolitikern zur bevorzugten makroökonomischen Leitlinie erhoben, als das exportgetriebene hohe Wachstum der Nachkriegszeit nicht mehr verhindern konnte, dass sich auch im Wirtschafswunderland Massenarbeitslosigkeit breit machte. Spätestens mit der Aufkündigung der sozialliberalen Kolation durch die fdP und dem 1982 erfolgreich angestrengten Misstrauensvotum gegen SPD-Kanzler Schmidt zugunsten des "christlichen" Demokraten Kohl, hatte sich das aber auch schnell wieder erledigt und die Neoklassiker erlangten ihre bis heute andauernde Deutungshoheit über das wirtschaftspolitische Beratungswesen zurück.


    Die "Soziale Marktwirtschaft" war dabei - wie schon seit ihrer Erfindung als politische Propagandaphrase kurz nach Kriegsende - auch zu Helmut Kohls Zeiten das rhetorische Mittel der Wahl, um den ArbeitnehmerInnen eine "Lohnzurückhaltung" im Dienste der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsfähigkeit als quasi alternativlos zu verkaufen. Sie wurde schliesslich sogar als offizielle Beschreibung der wirtschaftlichen Ordnung im Staatsvertrag zur Wiedervereinigung der beiden Deutschländer festgeschrieben.

    Als dann Gerhard Schröder seine berüchtigten "Reformen" des Arbeitsmarktes und der Sozialversicherungen anging, waren es unter anderem auch die Chefs der großen Industriegewrkschaften und des DGB, die ihn tatkräftig dabei unterstützten, das ganze gegenüber der Stammwählerschaft als im Sinne des Erhalts der deutschen "Sozialpartnerschaft" leider, leider hinzunehmendes Übel dazustellen.

    Die deutsche Solidargemeinschaft war jedenfalls so überzeugt vom Prinzip des "Gürtel enger schnallens" zum Erhalt und Ausbau der eigenen Wirtschaftskraft, dass eine Mehrheit bis heute davon überzeugt ist, es aufmüpfigen Griechen, Italienern oder sonstigen "über ihre Verhältnisse" lebenden EU-Südländern mit Fug und Recht als einzig probates Mittel zur Entschuldung ihrer Staatshaushalte durch höhere Wettbewerbsfähigkeit oktroyieren zu können.


    TL/DR: Die Neoliberale "Wende" war insbesondere in West- und später Gesamtdeutschland (in Großbritannien und den USA verhielt es sich anders) eigentlich nur die konsequente Fortführung einer ohnehin bereits export- und angebotsfixierten wirtschaftspolitischen Doktrin, die schon nach Kriegsende von konservativen Politikern etabliert worden war, und die sich nach dem Fall des eisernen Vorhanges plötzlich mit einem deutlich erweiterten Konkurrenzkampf um neue Marktanteile auf Waren- und Arbeitsmärkten konfrontiert sah, auf die sie keine andere Antwort wusste, als noch mehr Wettbewerbsfähigkeit.

    Das ist auch überhaupt kein Wunder, weil die ursprüngliche Idee des Ordoliberalismus, welche dem ganzen Erhardschen "Wohlstand für alle" zugrunde lag, von ökonomischen Vordenkern erdacht worden war, die selbst zu den Miterfindern des Neoliberalismus gehörten.

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