Der SARS-CoV-2-Thread

  • Erwähnte ich, dass ich keinen Punkt habe? Auch nicht den, dass man eine weltweit gemeinsame Einschätzung der Lage braucht. Ich finde allerdings, die Haltung, ach die sind zu arm, um sich darüber Gedanken machen zu müssen, sollte man nicht kultivieren. Der Denkfehler scheint mir, dass nicht die Epidemie ein "first world problem" ist, sondern einige unserer Maßnahmen sind "first world solutions".


    Warum wählt denn Trump diese Strategie? Weil er einfach nur bescheuert ist [..]


    So in etwa, Trump ist der anti-intellektuellen Bewegung in den USA verhaftet. Im Gegensatz zu vielen Republikanern, die nur aus politischem Opportunismus so tun.


    Ein anderer auch sehr verbreiteter Denkfehler spielt hier mit rein, in einer Pandemie kann man sich nicht für die Normalität entscheiden. Man kann natürlich staatlich nicht darauf reagieren, dann reagieren eben die Menschen selbst. Also auf irgendeiner Ebene werden Gegenmaßnahmen ergriffen. Bestes Beispiel waren in Deutschland die Masken. Die haben die Leute, die sie als Symbol der Unterdrückung ablehnen, im ersten Schritt ihren Mitbürgern zu verdanken. Man hat also nicht die Wahl die Epidemie zu ignorieren, sondern nur den Grad zentral koordinierter und durch staatliche Mittel disziplinierter Reaktionen zu bestimmen.


    Ich denke diese sehr offensichtliche Realität, dass man sich nicht für die Normalität entscheiden kann, ist bei der Bewertung einzelner Maßnahmen unverzichtbar. Sie ist eben nur schwer zu fassen, noch schwerer zu quantifizieren. Aber natürlich muss die Bewertung nicht darin resultieren, dass jede beliebige Maßnahme in der Abwegung den Vorzug hat. Wiederum bei uns wurden die bevölkerungsweiten Maßnahmen auch zurückgefahren, obwohl es das Gegenargument gab, von einer Verlängerung um nur wenige Wochen könnten wir nochmal erheblich profitieren. Neben dem Aspekt, wo ist der Schaden größer, ist die andere Dimension, ob eine Maßnahme den Schaden einfach verschiebt, also hier etwa zwischen der anfälligen Bevölkerungsgruppe und der Gesamtbevölkerung.


    Man könnte zum Beispiel eine Überlegung aufmachen, wenn man im Fall von CoViD-19 vorallem Menschen rettet, die am Ende ihres Lebens sind, und ihnen dadurch wenige Lebensjahre erhält, dafür aber eine Situation schafft, wo durch die Spätfolgen der entstehenden Armut die Lebenserwartung der jüngeren Generationen sinkt, tauscht man dann nicht einfach nur Lebenszeit gegeneinander aus? (Das vernachlässigt natürlich wie eine ungebremste Epidemie sich auch kurzfristig auf die Gesundheit der weniger betroffenen Population auswirken kann.)


    Am Ende wird man denke ich meistens dahin kommen, dass das unmittelbare Retten von Menschenleben schlicht das moralischen Instinkten naheliegendere Vorgehen ist. Man sieht es auch daran, dass die allermeiste emotionale Opposition sich darauf stützt, dass die Gefahr angeblich gering ist.

  • Erwähnte ich, dass ich keinen Punkt habe? Auch nicht den, dass man eine weltweit gemeinsame Einschätzung der Lage braucht. Ich finde allerdings, die Haltung, ach die sind zu arm, um sich darüber Gedanken machen zu müssen, sollte man nicht kultivieren. Der Denkfehler scheint mir, dass nicht die Epidemie ein "first world problem" ist, sondern einige unserer Maßnahmen sind "first world solutions".

    An sich ein guter Konter. Trotzdem glaube ich, dass wir unser Interesse an diesem Thema nicht mit dem Interesse anderer Bevölkerungen in südlicheren Gefilden einfach so vergleichen können. Kann man das Interesse messen? Vielleicht ist das hier EIN Anhaltspunkt:


    https://trends.google.de/trends/explore?q=covid%2019%20test


    Man kann da super mit spielen. Vielleicht fallen Dir auch noch andere Kategorien ein. Aber ich glaube bei uns wird dieses Thema sehr hoch gehängt. In anderen Ländern scheint es gerade kein Thema zu sein.

    So in etwa, Trump ist der anti-intellektuellen Bewegung in den USA verhaftet. Im Gegensatz zu vielen Republikanern, die nur aus politischem Opportunismus so tun.


    Ein anderer auch sehr verbreiteter Denkfehler spielt hier mit rein, in einer Pandemie kann man sich nicht für die Normalität entscheiden. Man kann natürlich staatlich nicht darauf reagieren, dann reagieren eben die Menschen selbst. Also auf irgendeiner Ebene werden Gegenmaßnahmen ergriffen. Bestes Beispiel waren in Deutschland die Masken. Die haben die Leute, die sie als Symbol der Unterdrückung ablehnen, im ersten Schritt ihren Mitbürgern zu verdanken. Man hat also nicht die Wahl die Epidemie zu ignorieren, sondern nur den Grad zentral koordinierter und durch staatliche Mittel disziplinierter Reaktionen zu bestimmen.


    Ich denke diese sehr offensichtliche Realität, dass man sich nicht für die Normalität entscheiden kann...

    … doch ich glaube, dass z.B. in durchschnittlich jüngeren Bevölkerungen mit niedrigerer Lebenserwartung und günstigen klimatischen Voraussetzungen im Grunde so weiter gelebt wird wie bisher, ohne dass sich an den Straßenecken der Metropolen die Leichen stapeln. (das würde ja wohl berichtet werden) Ich glaube, dass man sich sogar in vielen Ländern bereits dafür entschieden hat das Virus so gut es geht zu ignorieren (oder wie im Fall Russland Fake-Impfstoffe zu verteilen)


    Ich kann mir vorstellen, dass auf Grund größerer Virenlastübertragungen in geschlossenen Räumen und einer höheren Altersstruktur die Gefahr großer Opferzahlen in Europa und generell auf der Nordhalbkugel höher ist, weshalb ich ja nicht sagen will, man müsse nichts tun. Nur...wie gesagt... ich glaube andere Länder haben gerade ganz andere Prioritäten. Ich werde das mal im Google-Trend versuchen nachzuvollziehen...

  • Nun ein Test ist eine Maßnahme, wenn du keine Erwartung hast, das du einen bekommen kannst, was in ärmeren Ländern durchaus wahrscheinlich ist, wirst du auch nicht danach suchen. Irritierender finde ich, dass sich die Leute für das "Coronavirus" eigentlich nur in Polen interessieren:


    https://trends.google.de/trends/explore?q=koronawirusy


    Ich denke du verstehst, worauf ich hinaus will.

    ... ohne Worte

    Man könnte dieses Tool mal bemühen um wirklich etwas rauszufinden. Gut mach ich’s eben selber. Bis dann

  • Nun ein Test ist eine Maßnahme, wenn du keine Erwartung hast, das du einen bekommen kannst, was in ärmeren Ländern durchaus wahrscheinlich ist, wirst du auch nicht danach suchen. Irritierender finde ich, dass sich die Leute für das "Coronavirus" eigentlich nur in Polen interessieren:


    https://trends.google.de/trends/explore?q=koronawirusy


    Ich denke du verstehst, worauf ich hinaus will.

    naja wenn man die polnische Schreibweise nimmt dann wirst du eher die Polen trenden

  • Okay, dann ist wohl nicht klar, worauf ich hinaus will.


    Wenn man diese Datensammlung verwendet, dann muss man erstmal etwas darüber wissen, wie die eigentlich zustande kommt. Normiert Google über die "Regionen", so dass das Suchvolumen wirklich vergleichbar ist? Denn ärmere Länder haben auch weniger Suchanfragen. Genauso Länder mit kleinerer Bevölkerung.


    Aber mir ging es erstmal um die Sprache:


    Beispiel 1: Westafrika nicht sehr vertreten bei:


    https://trends.google.de/trends/explore?q=coronavirus


    Dagegen tauchen einige westafrikanische Länder ziemlich weit oben auf, wenn man maladie hinzufügt:


    https://trends.google.de/trend…ore?q=coronavirus+maladie


    Was man auch in Rechnung ziehen sollte, die Veränderung der Rangfolge, wenn man nur maladie und coronavirus miteinander vertauscht.


    https://trends.google.de/trend…ore?q=maladie+coronavirus


    Beispiel 2: Coronavirus interessiert Brasilien so mittel, aber für "coronavirús" interessiert man sich sehr.


    https://trends.google.de/trends/explore?q=coronav%C3%ADrus


    Und "coronavirus test" auch kein großer Erfolg in Brasilien, allerdings heißt Test auch teste auf portugiesisch, "coronavirús teste" funktioniert:


    https://trends.google.de/trend…?q=coronav%C3%ADrus+teste


    An dem Punkt kann man sich auch mal fragen, wie der Unterschied im Suchvolumen zwischen dem 10-Millionen-Land Portugal und dem 200-Millionen-Land Brasilien zustande kommt. Aber dafür müsste man erstmal wissen, was die beiden Werte bedeuten.


    Die baseline für corona/koronavirus/coronavirüs/корона/... fällt doch sehr unterschiedlich aus. Interessiert sich wirklich keiner für CoViD-19 in China? Doch denn das misst man dem Äquivalent von "corona" auf chinesisch, 冠状.

  • ...bin grad am basteln... dauert sicher noch. Heute sicher nicht mehr. Ich werde da bald mal was vorstellen. Man kann die 25-Topthemen der jeweiligen Länder charten. Man braucht gar keine Suchbegriffe. Und wirklich so gut wie kein Land ist so irre auf dieses Thema wie Deutschland.

    Aber...ich brauch mal n bißchen Zeit.


    Edit: hier kann sich mal von Land zu Land durchhangeln...


    https://trends.google.de/trends/explore?geo=DE


    In KEINEM anderen Land ist das Thema (bereits übersetzt und gefiltert) auf Platz 2(!!) innerhalb der letzten 12 Monate. Brasilianer interessierten sich mehr für Fußball. In Mali war es Pferderennen... In Marocco liegen Pornos weit höher im Kurs. In Deutschland direkt nach dem Wetter. Wir sind einfach nur bekloppt.

  • Du solltest natürlich nicht "trends" nehmen sondern "top" es ist völlig logisch, dass dieses Thema in jedem Land um 3.000.000% in den letzten 12 Monaten zunahm, da es vorher keine Rolle spielte.


  • Du solltest natürlich nicht "trends" nehmen sondern "top" es ist völlig logisch, dass dieses Thema in jedem Land um 3.000.000% in den letzten 12 Monaten zunahm, da es vorher keine Rolle spielte.


    Ah, okay. So mal schauen.


    Na gut, da sehe ich direkt in Top konkurriert man mit sowas, wie Leuten, die in ihre Google-Suchmaske facebook eingeben, um zu Facebook zu gelangen, und mit Alltäglichkeiten wie Wetter oder Zeit. Ich habe das Gefühl das müsste man erstmal rausrechnen, um ein wirkliches Erkenntnisinteresse von einer rein funktionellen Nutzung zu unterscheiden. Denn da kann sich die Platzierung ja mal ganz schnell verschieben, wenn es ein paar beliebte Dienste/Funktionen mehr oder weniger gibt.


    Aber es stimmt schon in Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien ist "coronavirus" auf Platz 3, 5, 3 und 5. In ärmeren Ländern tendenziell niedriger.


    In Deutschland ist "corona" ganz oben, aber das ist finde ich schon ein Unterschied zu "coronavirus", weil wir hier einen inflationären Gebrauch von "corona" haben könnten. Da würde sich mir direkt die Frage stellen, wenn ich bei einer Suchanfrage "corona" eingebe und dann etwas aus den Vorschlägen auswähle, was wird dann von beiden als Suchanfrage abgespeichert? Könnte ein millionfach abgerufener Podcast zum Beispiel dazu führen, dass etliche Deutsche corona eingeben, weil sie wissen, dass sie damit zum Coronavirus-Update kommen?


    Ich hoffe, du machst das nicht um mich zu überzeugen, denn ich hätte direkt noch eine ganze Liste von Einwänden gegen diese "Messung". :)

  • Schon ok. Ich sehe ein, dass es eigentlich ne reine Spielerei ist...aber interessieren tut es mich jetzt. Mal schauen...

  • Interessant ist es in jedem Fall, aber es wirft vorallem Fragen auf. Allein der Unterschied corona/coronavirus ist sehr markant in Deutschland:


    https://trends.google.de/trend…o=DE&q=corona,coronavirus


    Weniger deutlich in Österreich und Schweiz:


    https://trends.google.de/trend…o=AT&q=corona,coronavirus

    https://trends.google.de/trend…o=CH&q=corona,coronavirus


    Aber zum Beispiel in Frankreich oder Italien ist es nochmal markanter genau umgekehrt:


    https://trends.google.de/trend…o=FR&q=corona,coronavirus

    https://trends.google.de/trend…o=IT&q=corona,coronavirus


    Warum hat sich das Kurzwort so in Deutschland (bei Google-Suchanfragen) durchgesetzt und hat es etwas damit zu tun, wonach die Leute suchen?


    Ansonsten gucke ich mal, wenn ich einen automatisierten download hinbekomme, dann probiere ich vielleicht die top-Suchen zu bereinigen.


    Übrigens wenn die Google News-Suche einstellt, anstatt der Websuche dann ist CoViD-19 als Thema eigentlich immer in den top 5 mit dabei, oft auf Platz 1.

  • Ich wäre an Deinen Gedanken dazu sehr interessiert und ermutige Dich darüber ein paar Zeilen zu schreiben, da Du es ja, nach eigenen Worten auch „wichtig“ findest, darüber zu diskutieren...

    Ich fürchte zwar, dass ich mich dazu nur wiederholen und Dich damit nicht überzeugen kann, aber wenn Du es unbedingt so haben willst...


    Es sollte also eigentlich auch kaum der Rede wert sein, dass innerhalb Deutschlands Lebenssituationen und Interessenlagen derart unterschiedlich verteilt sind, dass ebenfalls unterschiedliche Schlüsse daraus gezogen werden, wie mit diesem Virus umzugehen ist. Ich z.B. habe noch Kontakte in den Kulturbetrieb und sehe die Zukunft dieser Freunde mit großer Sorge. Sie wollen ja auch nicht ewig alimentiert werden sondern einfach wieder auf die Bühne und vor vollem Publikum spielen. Danach sehnen die sich am meisten. Geld war schon immer knapp, aber Publikum? Das tut weh und man ist genervt. Also...unterschiedliche Einschätzungen der Lage sind völlig normale Dinge, die diskutiert werden können. Daraus ergeben dann aber auch zwangsläufig andere Argumentationsketten, die die eigene Haltung zudem moralisch rechtfertigen wollen und hier wird es oft hitzig.

    Fast mein gesamter Freundes- und Bekanntenkreis arbeitet in verschiedensten Positionen des Kulturbetriebes. Denen fehlt allerdings nicht nur das Publikum, sondern vor allem das Geld, welches sie nur verdienen können, wenn ausreichend ZuschauerInnen in die Spielstätten, Konzert- oder Kinosäle gelassen werden um die enormen Kosten des Spiel- und Produktionsbetriebes zu rechtfertigen.


    Auch in anderen Ländern ist das für diesen Teil der arbeitenden Bevölkerung ein riesiges Problem. Zur Zeit werden z.B. in den USA große Hollywood-Blockbuster, die längst fertig produziert sind von den Verleihern zurück gehalten und nicht ín die Kinos gebracht, weil durch die auch in Trumps untergehendem Imperium in vielen großen Ballungsrümen recht drakonischen Hygiene-Auflagen nicht genügend Leute auf einmal die Filme sehen können, um die für die Einstufung der Rentabilität von Investitionen dreistelliger Millionenbeträge in Produktions- und Marketingkosten so wichtigen Zuschauerzahlen an den Startwochenenden zustande zu bringen.


    Die Film-Konzerne die diese Projekte finanzieren, um damit - bei Erfolg - Renditen im zweistelligen Prozentbereich für ihre AnlegerInnen zu erwirtschaften, die man sonst in dieser Höhe nur noch mit illegalem Drogen- und Waffenhandel, oder mit Steuerhinterziehungsgeschäften erzielen kann, können es sich vielleicht noch eine Weile lang leisten, ihre Cash-Cows etwas länger auf der Wiese stehen zu lassen, bevor sie geschlachtet werden.

    Den kleineren Betreibern von Kinos und deren Angestellten fehlen die dazu nötigen Rücklagen, so dass sie jetzt reihenweise Pleite gehen und ihre Arbeitsplätze verlieren.

    Das gleiche gilt - im kleineren Maßstab - natürlich auch für die großen privaten Konzert- und Eventveranstaltungsgesellschaften, die jetzt geplante Touren großer Bands oder sonstige publikumsträchtige Bühnenshows absagen und damit eine ganze Kette von Subunternehmen in den Ruin treiben, deren Angestellte und freie MitarbeiterInnen ihren Lebensunterhalt mit der Installation von Bühnen, Ton- und Lichtanlagen, oder mit dem Bau von Kulissen und Sezenenbildern verdienen.


    Der Deutsche Theaterbetrieb ist da insofern ein Sonderfall und im Vergleich auch zu vielen anderen europäischen Ländern teilweise noch halbwegs geschützt, weil kein Staats- oder Stadttheater mit Ensuite-Spielplan, festen Opern-, Tanz- und Schaupielensembles, Orchestern, sowie festangestelltem künstlerischem, technischem und Verwaltungspersonal, sich auch außerhalb einer globalen Krise halten könnte, wenn es nicht schon von je her mit hohen Summen an Steurgeldern subventioniert würde.


    Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihnen allen - auch den Staatsbetrieben - als oberste Maxime ins betriebswirtschaftliche Handbuch geschrieben steht, dass kein Geld verschwendet werden dürfe - egal ob das jetzt das Geld von Reichen Leuten und Kapitalsammelstellen ist, die es in irgendwelchen Filmfonds investiert haben, oder das Geld des gemeinen Steuerzahlers, welches die deutschen Länder und kommunen zum Erhalt des öffentlichen Kulturbetriebes ausgeben müssen.


    Hinter all dem steckt der Gedanke, dass Geld nur dort investiert wird, wo es einen Rendite erwirtschaftet. Für den privaten Investor ist die Rechnung natürlich einfacher als für den Staat der eine große Opernproduktion subventioniert, deren Kosten sich eigentlich nie über Einnahmen für Theaterkarten refinanzieren und die auch gerne mal die Millionengrenze überschreiten können. Aber auch in den Staatsbetrieben werden Spielpläne gemacht, namhafte SchauspielerInnen, RegisseuerInnen, AutorInnen und KomponistInnen enagiert, und IntendantInnen eingesetzt, wenn man sich davon einen Anstieg der Publukumszahlen verspricht. Natürlich klappt das in den seltensten Fällen, aber das hindert die neoliberal durchideologisierte Technokratie nicht daran, auch den Kulturbetrieb an den selben oder ähnlichen Quantitätskriterien auszurichten wie die private Wirtschaft.


    Jede Landes- oder Kommunalregierung muss ihre Ausgaben für das Gemeinwesen jedes Jahr von neuem vor der Opposition, vor ihren Rechnungshöfen, gegebenenfalls auch vor anderen Kommunen und Bundesländern, und in letzter Zeit auch immer häufiger vor Gericht rechtfertigen, wenn irgendein neoliberaler Verfechter eiserner Spardisziplin mal wieder der Ansicht ist, irgendwo falsche Zahlen gefunden zu haben, und weil es sich aufgrund dieser ideologischen Verengung des gesellschaftlichen Geschehens auf Daten und arithmetisch ermittelte (Geld-) Werte allmählich überall einbürgert, politische Differenzen mit Anzeigen politischer Gegner und Klagen vor Verwaltungserichten auszufechten und nicht mehr in einer politischen Diskussion auszutragen.

    Das einzige Kriterium das dafür auch vor Gericht oder vor anderen (zumindest per Definition zur politischen Neutralität verpflichteten) Behörden und Institutionen in einer kapitalistischen Marktwirtschaft (scheinbar) über jeden Zweifel erhaben ist, ist das Werk der Zahlen.

    Alle Politik richtet sich letzendlich daran aus. Die Statistiken, Haushaltsberechnungen und Bilanzen sprechen eine scheinbar eindeutige Sprache, die sich einer politschen Diskussion quasi selbsterklärend entziehen und als letzte Legitimation herhalten müssen, um politisches Handeln zu rechtfertigen.


    Das selbe Prinzip, die selbe Herrschaft scheinbar unbestechlicher und über jeden Zweifel erhabener Zahlenwerke liegt selbstverständlich auch dem Handeln der Bundes- und der Landesregierungen in der Corona-Krise zu grunde. Die neoliberale Ideologie, die sich seit drei bis vier Jahrzehnten der politischen Systeme in allen westlichen, kapitalistischen Gesellschaften bemächtigt hat, lässt den politischen EntscheiderInnen kaum eine andere Wahl mehr, als ihre Ziele an den Zahlen der Statistiker und ihr Handeln an immer enger gefassten juristischen Vetrags- und Regelwerken auszurichten, deren hauptsächlicher Sinn und Zweck darin besteht, die "wirtschaftlichkeit" politischer Entscheidungen zu gewährleisten.


    Wenn jetzt also allerorts beklagt wird, dass Arbeitslosenzahlen steigen, Wirtschaftswachstum sinkt und Staatskassen Schuldenberge auftürmen, dann ist das nicht das Resultat irgendeiner finsteren Verschwörung im Hintergrund, sondern es ist das was passiert, wenn sich eine Gesellschaft voller erratischer, irrationaler, emotions- und triebgesteuerter Individuen in marktkonforme Roboter verwandeln und sich dabei auch noch weismachen will, sie könnte sich nur dadurch maximale individuelle Freiheit erkaufen, dass sich die Individuen selbst zu größtmöglicher Marktkonformität optimieren.


    Man muss nicht Marx & Engels' gesammelte Werke gelesen haben, um darauf zu kommen dass das nicht funktionieren kann, wenn dem Markt das Wachstum ausgeht.

  • Ich halte es für normal und demnach sehr wahrscheinlich von unseren Politikern belogen zu werden. Ich kann mich z.B. an keinen Krieg erinnern in welchem ich nicht belogen wurde. Und mit Blick auf die letzten Kriege geschah dies sogar bewusst. Ich kann auch nicht sagen, dass hier Menschen innerhalb eines ökonomischen, komplexen Systems ganz unbewusst und unschuldig taten, was sie taten. Diese Unschuldsvermutung ging ich noch nie mit. Überall wo es Macht gibt, gibt es auch Verschwörung, ob bei César, Trotzki oder Kennedy....

    Es geht mir überhaupt nicht darum, politische EntscheiderInnen von Schuld frei zu sprechen. Selbstverständlich gehören Leute wie der Scheuer-Andi, der sich nicht mal große Mühe gibt zu verbergen, dass er als Lobbyist für die Automobil-Oligarchie sein Amt bekleidet, oder Jens Spahn, der offensichtlich keine Berührungsängste mit der Pharmalobby hat, ihrer Ämter enthoben.

    Niemand kommt in einer an privatwirtschaftlichen Eigentumsrechten und anti-demokratischen Hierarchien im Berufsleben ihrer Mitglieder ausgerichteten gesellschaftlichen Hackordnung an eine permanente Führungsposition, ohne sich dabei nicht mindestens moralisch zweifelhaft zu verhalten.


    Ich bestreite auch gar nicht, dass es echte Verschwörungen, auf allen Hierarchieebenen - vom global agierenden Autokartell bis in den lokalen Gesangsverein - gibt und schon immer gab, wo immer sich Menschen zu größeren Gruppen zusammenfinden und gemeinsames Handeln organisieren müssen, weil dabei natürlich immer einzelne Interessen zu kurz kommen, sich die InteressentInnen dagegen wehren und Zweckbündnisse eingehen, um sie trotzdem durchzusetzen.

    Ich bestreite nur, dass man eine globale Elitenverschwörung als Ursache vermuten kann, wo eigentlich eine Ideologie am Werk ist, deren Wirken sich auch viele ihrer größten VerfechterInnen nicht unmittelbar bewusst sind, weil das nunmal eben ein Charakteristikum von Ideologien ist, die von einer breiten Masse als Selbstverständlichkeit akzeptiert werden.


    Und weil natürlich auch das bürgerliche Moralverständnis von dieser herrschenden, vom Großteil der Gesellschaft als selbstverständlich akzeptieren Ideologie bestimmt wird, hilft auch moralische Kritik nicht wirklich weiter - so lange sie nicht explizit auch Ideologiekritik beinhaltet!

    Wenn z.B. die "Verschwendung" von Steuergeld, oder die Verschuldung des Staates den meisten StaatsbürgerInnen ohne langes Nachdenken quasi instinktiv als grobes Unrecht und Verbrechen an der Allgemeinheit und an den zukünftigen Generationen™ ins moralische Bewusstsein fährt, dann ist dieses hoch moralische Argument kein objektives, wertneutrales Urteil. Dann hat es nur innerhalb jener Wertvorstellungen und innerhalb jener Grenzen des Denkbaren seine Gültigkeit, welche von der herrschenden Ideologie eingezäunt werden.


    Selbst wenn man nun also tatsächlich nachweisen könnte, dass Angela Merkel DasDeutscheVolk™ bezüglich der jüngsten Entwicklung der Corona-Fälle mit Absicht hinters Licht führe und es mit vollem Vorsatz belüge (mal abgesehen davon, dass das unglaublich dämlich wäre, wenn die allgemein zugänglichen Statistiken, wie von unserem verlogenen kleinen Heuchler hiesigen Experten für angewandte Gesundheitsstatistik, Virologie und Epidemiologie behauptet, das Gegenteil beweisen würden) dann wäre das immer noch kein Beweis dafür, dass sie dies im Dienst irgendeiner finsteren Kabale im Hintergrund täte.

    Dann könnte man das genauso gut darauf zurückführen, dass es ihrer realpolitischen inneren Überzeugung gemäß keine Alternative dazu gäbe dem Volk die Wahrheit zu verschweigen, wenn man es als deutsche Regierungschefin nicht riskieren wolle, dass die deutsche Wirtschaft durch einen erneuten Lockdown noch stärker beschädigt, und die heiligen Wachstumzahlen - diese Orakel der Unsichtbaren Hand - sich noch schlechter entwickeln und somit die, alternativlos in jedem Fall unbedingt zu beruhigenden Märkte noch weiter verunsichern, als sie es ohnehin schon tun.


    Ob das jetzt moralisch verwerflich oder ob es nicht vielleicht sogar das geringere zweier Übel sei, ist eine reine Frage der Perspektive.

    Aus einer radikal kapitalismuskritischen Sicht ist so gut wie nichts was irgendeine Partei fordert, oder irgendeine Regierung tut, moralisch zu rechtfertigen, so lange sie es sich dabei zur Aufgabe macht, den Kapitalismus auch weiterhin aufrecht zu erhalten, weil der Kapitalismus - aus dieser Perspektive! - ein ganz und gar amoralisches System ist, das keine höheren Werte kennt außer solchen, hinter denen ein Währungssymbol geschrieben steht.

  • Hallo Utan, ich verstehe ja was Du mir im letzten Forum auch schon geschrieben hast; solange ausschließlich auf Profitmaximierung als allgemeines Prinzip gesetzt wird, so lange wird es keine solidarische und gerechte Gesellschaft geben können, Punkt. Und freilich gilt das auch für Kunst und Kultur. Staatliche Theater haben’s gerade noch vergleichsweise gut. Ich kenne die Thematik. In dem mir bekannten Haus konnte während Corona über Kurzarbeitergeld, nach meiner letzten Info, sogar noch Geld gespart werden.

    Vielleicht ist es, nach Syd, nun an der Zeit von einer Diskussion über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen abzusehen, das wurde hier lange genug besprochen, und sich der Frage zu widmen, inwieweit Corona im Begriff ist die Gesellschaft zu prägen.

    Ich will da jetzt auch nicht so viel zu schreiben, sehe allerdings einen gewissen Digitalisierungsdruck-, und Schub und das könnte gewaltige Folgen haben. Der Börsenkurs der Amazonaktie ist, glaube ich, keine Blase sondern eher eine realistische Einschätzung der Situation.

    Es gibt allerdings auch andere Folgen, außerhalb der Ökonomie, die Beachtung finden sollten. Die Spaltung und verbissene Diskussion, die hier mit einem User stattfand, findet ja auch in der realen Welt, auf der Arbeit z.B., ja sogar auch in Teilen meiner Familie statt.

    Es bildet sich die Meinung, dass Meinungen unterdrückt werden. Ich hab dazu keine eindeutige Haltung, glaube aber, dass das in der Qualität und Quantität etwas neues ist....

  • Es bildet sich die Meinung, dass Meinungen unterdrückt werden. Ich hab dazu keine eindeutige Haltung, glaube aber, dass das in der Qualität und Quantität etwas neues ist....

    Es wurden auch vorher schon Meinungen unterdrückt - ob gefühlt oder tatsächlich.

    Die AfD - die jetzt vor allem dadurch auffällt, dass ihre Funktionäre sich dem Narrativ vom diktatorischen Corona-"Regime" andienen - hat ihre sämtlichen Wahlerfolge auf der Legende aufgebaut, die Stimme für die schweigende Mehrheit zu erheben und dabei von den linksgrünversifften Gutmenschen und ihren "Altparteien" zensiert und politisch verfolgt zu werden.


    Nur jetzt trifft es halt ganz explizit Leute aus der von allen Parteien ansonsten stets heiß umworbenen Bürgerlichen Mitte™, die es sich eigentlich zum Prinzip gemacht hatten, keine klare politische Position zu beziehen und mit "weiter so" kein ernstes Problem hatten, so lange sie nicht selbst negativ von politischen Entscheidungen betroffen waren. Die hatten vorher auch überhaupt keine moralischen Bedenken dabei, wenn z.B. kapitalismuskritische Meinungen "unterdrückt" (-> also einfach nicht oder nur in Spurenelementen in der veöffentlichten Meinung behandelt), oder linke "Extremisten" von der neuerdings so verhassten Staatsmacht kriminalisiert und niedergeknüppelt wurden.

  • Es wurden auch vorher schon Meinungen unterdrückt - ob gefühlt oder tatsächlich.

    Die AfD - die jetzt vor allem dadurch auffällt, dass ihre Funktionäre sich dem Narrativ vom diktatorischen Corona-"Regime" andienen - hat ihre sämtlichen Wahlerfolge auf der Legende aufgebaut, die Stimme für die schweigende Mehrheit zu erheben und dabei von den linksgrünversifften Gutmenschen und ihren "Altparteien" zensiert und politisch verfolgt zu werden.


    Nur jetzt trifft es halt ganz explizit Leute aus der von allen Parteien ansonsten stets heiß umworbenen Bürgerlichen Mitte™, die es sich eigentlich zum Prinzip gemacht hatten, keine klare politische Position zu beziehen und mit "weiter so" kein ernstes Problem hatten, so lange sie nicht selbst negativ von politischen Entscheidungen betroffen waren. Die hatten vorher auch überhaupt keine moralischen Bedenken dabei, wenn z.B. kapitalismuskritische Meinungen "unterdrückt" (-> also einfach nicht oder nur in Spurenelementen in der veöffentlichten Meinung behandelt), oder linke "Extremisten" von der neuerdings so verhassten Staatsmacht kriminalisiert und niedergeknüppelt wurden.

    Noch zur Ergänzung: mir ging es weniger darum ob „Meinung“ tatsächlich unterdrückt wird.


    Es gibt allerdings zunehmend Menschen, die der Meinung sind, dass das passiert.

    Als langjähriger linker Spinner hatte ich natürlich auch oft das Gefühl, das linke Themen und Haltungen zu wenig Beachtung fanden. Da hat man dann so in der Familie gesessen, sah noch diese letzte Bühne um zu bekehren und wurde dann freilich dort zwar für seinen Idealismus gelobt, aber im Grunde nur belächelt.

    Das hat jetzt ne andere Qualität. Als mein Onkel, eher Anhänger der sydschen Glaubenslehre, Geburtstag hatte und wir dorthin gehen wollten, belehrte mich meine Mutter quasi die ganze Fahrt dorthin, das Thema „Corona“ nicht anzutippen.... der hatte schon verspuhlte Ansichten auch zum Thema Flüchtlinge. Aber das war noch weit weniger brisant als das jetzt...

    Dieses: „hey! Psssttt! Das ist doch bescheuert, was die mit uns machen“ treffe ich oft. Und es hat den Gestus einer „Geheimorganisation“ (mir fällt kein besseres Wort ein.) in der Mitte der Gesellschaft.

    Bewerten möchte ich die Gruppe als solche nicht. Eher den Umstand.

  • Das hat jetzt ne andere Qualität. Als mein Onkel, eher Anhänger der sydschen Glaubenslehre, Geburtstag hatte und wir dorthin gehen wollten, belehrte mich meine Mutter quasi die ganze Fahrt dorthin, das Thema „Corona“ nicht anzutippen.... der hatte schon verspuhlte Ansichten auch zum Thema Flüchtlinge. Aber das war noch weit weniger brisant als das jetzt...

    Dieses: „hey! Psssttt! Das ist doch bescheuert, was die mit uns machen“ treffe ich oft. Und es hat den Gestus einer „Geheimorganisation“ (mir fällt kein besseres Wort ein.) in der Mitte der Gesellschaft.

    Bewerten möchte ich die Gruppe als solche nicht. Eher den Umstand.

    Geht mir - und wahrscheinlich auch den meisten anderen Leuten hier - genau so mit vielen Menschen im realen Umfeld. Aber genau deswegen halte ich es ja für so unverantwortlich, wenn gewisse Leute versuchen diese Diffuse Andeutung einer möglichen "Geheimorganisation" auch noch weiter zu verbreiten, nur weil sie sich dabei wie ganz besonders kritische Nachdenker vorkommen können. Da können die sich noch so dick "Liebe, Frieden und Freiheit" auf ihre Plakate und webseiten schreiben - sie erreichen damit nur noch mehr Unfrieden, Hass und Angriffe auf bürgerliche Freiheiten wie z.B. das Berliner Demonstrationsrecht.


    Am Ende landet man immer bei einer Henne und Ei-Diskussion, wo die eine Seite behauptet, die Regierung habe unter Gleichschaltung mit "den Medien" und "der Wissenschaft" falsche Daten verbreitet, um Ängste vor der Pandemie zu schüren, und die andere Seite, dass die diversen verschwörungsideologie-Vermarkter und die ihnen hörigen Wirrköpfe aus dem querdenkenden demokratischen Widerstand genau das selbe tun, wenn sie jetzt Ängste vor der Diktatur anheizen und damit natürlich auf entsprechende Gegenwehr beim politischen und medialen Establishment stoßen.

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