Der SARS-CoV-2-Thread

  • Der offizielle Start der Impfkampagne ist drei Wochen her. Wir haben alles verimpft, wenn man für jede Erstdosis eine Zweitdosis zurückbehält, also etwas über 1 Million. (Bin gespannt, ob sie gestern eine Pause gemacht haben.) Das entspicht etwa der Zahl von Impfungen im UK nach drei Wochen, in Israel waren es nach diesem Zeitraum 1.5 Millionen, die hatten also entweder mehr oder haben keine Dosen zurückgehalten. Gut in der ersten Woche waren wohl beide Länder schneller, dennoch scheint mir da ist viel Zeit mit diesem Teil der Diskussion über die Impfkampagne in den Medien verschwendet worden zu sein.


    In beiden Ländern ging es nach drei Wochen schneller weiter, als es bei uns weitergehen wird. Im UK weil sie den Impfstoff von Oxford-Astra Zeneca dazubekommen haben und die haben gerade erst einen Antrag auf Zulassung bei der EMA eingereicht. Israel hat seine Liefergarantie, weil es seine Bevölkerung als Probanden für einen Massenfeldversuch an Pfizer verkauft hat. (Das kann schon auch gut für uns sein, aber ich weiß nicht, ob die Leute gefragt wurden.)


    Es gibt noch einen anderen Grund, warum es langsamer gehen könnte. Steht im Zusammenhang mit der Frage, ob die Zurückhaltung von Dosen sinnvoll ist:


    https://www.pharmazeutische-ze…mpfstoff-erwartet-123069/


    Zitat

    Denn das BMG berichtet, dass der EU-Kommission mitgeteilt worden sei, dass Pfizer wegen Umbauten seines Werks in Puurs [Belgien] die bereits zugesagte Liefermenge für die nächsten drei bis vier Wochen »nicht wird vollständig einhalten können«.


    Pfizer baut sein Werk in Belgien um, wohl auch um die Produktion steigern zu können, aber dadurch gibt es Lieferengpässe. (Das könnte auch Israel betreffen. Es sei denn sie bekommen ihre Lieferungen aus den US-Werken, was durchaus möglich ist.) Sich darauf zu verlassen, dass man termingerecht Nachschub bekommt, ist vorallem jetzt am Anfang, keine gute Idee. Je nachdem wie man zur Verschiebung der Zweitimpfung steht, ist das ein mehr oder weniger großes Problem, wenn man die Zweitdosis nicht zurücklegt.


    Ich habe irgendwo aufgeschnappt, dass der Impfstoff von Oxford-Astra Zeneca in den USA etwas kritischer betrachtet wird. Ich bin mir also nicht so sicher, ob die reibungslos durch ihre Zulassung hier kommen. Der Impfstoff von Janssen (J&J-Tochter) soll erst im Februar so weit sein, aber je nachdem wie die Probleme bei Oxford-Astra Zeneca liegen, kommt der eventuell zuerst auf den Markt.

  • Hm.


    https://cov-lineages.org/global_report_B.1.1.7.html


    Zitat

    Caveat: Most locations outside the original focus have not reported sustained transmission and many cases have known travel links to the focal location. Increasing numbers of international cases is currently likely due to increased surveillance and vigilance.


    https://www.reuters.com/articl…rus-variant-idUSKBN29L0HY


    Zitat

    Between mid-November and Jan. 10, 256 Danes were infected with the new variant from Britain, the State Serum Institute (SSI) said in a report published on Saturday.


    That corresponded to 1.3% of all positive tests genetically analysed during that period.


    In the first week of January, the percentage share of positive tests with the mutation was 3.6%, a growth rate which worried authorities and prompted the lockdown extension.


    Also ich bin mir weiterhin nicht so sicher, ob ich die Vorstellung kaufe, dass B.1.1.7 bzw. VOC-202012/01 irgendwo wirklich Ausbrüche treibt. Wenn die Variante tatsächlich überall, wo sie Fuß fasst, auch zunimmt, muss man schon von einem kompetitiven Vorteil ausgehen, aber ob der Zuwachs dann auch überall so stark ausfällt wie im UK ist nochmal eine andere Frage.


    Wobei die allerneusten Daten für Dänemark für die zweite Januarwoche, die aber noch mit Einschränkungen versehen sind, das dort wohl auch nahelegen würden:


    https://www.ssi.dk/aktuelt/nyh…stigning-i-b117-i-danmark


    Zitat

    Dermed er andelen af smittede med den variant i uge 2 oppe på 8 % (95% sikkerhedsinterval: 4,9-12,5 %).


    Wenn du jetzt natürlich lauter schottische Fischer auf ihren Fischmärkten haben ...


    Im Prinzip könnte so ein kompetitiver Vorteil auch an anderen Bedingungen hängen und sogar temporär sein, wenn diese transient sind. Ist die Spekulation auf stärkere Rezeptorbindung richtig, vielleicht eher nicht.

  • Also ich bin mir weiterhin nicht so sicher, ob ich die Vorstellung kaufe, dass B.1.1.7 bzw. VOC-202012/01 irgendwo wirklich Ausbrüche treibt.

    Irland?


    https://www.irishtimes.com/new…ou-need-to-know-1.4460350


    Zitat

    The UK variant (known as B117) is the most menacing variant in terms of proven transmissibility across the globe and it has established a presence here in a matter of weeks.

    It accounts for more than 25 per cent of Covid-19 cases in Ireland and some small sample testing suggests it could be as high a 46 per cent of all cases.


  • Klar es nimmt anteilig zu, wobei die sicherlich auch viel seeding aus dem United Kingdom haben und mit einem kleinen Vorteil kann das dann vielleicht schon ausreichend erklärt werden. Großbritannien hat eine große Bevölkerung in Ländern mit einer um eine Größenordnung kleineren Bevölkerung wie Irland oder Dänemark, die einigen Kontakt dorthin haben, kann die Einführung schon einen Unterschied machen. Vorallem wenn Briten aus irgendwelchen Gründen bessere super spreader sind.


    Aber für die Veränderung im epidemischen Geschehen ("Ausbrüche treib[en]") gibt es denke ich andere Erklärungsansätze: RE: Der SARS-CoV-2-Thread


    Das ist immer noch eine denkbare Alternative: Die Variante setzt sich besser durch und wird durch einen gerade stattfindenden Anstieg amplifiziert, mehr als dass die Eigenschaften, durch die sich sich besser durchsetzt, den Anstieg an Neuinfektionen bedingen. Aber wenn man über mehrere Länder hinweg einen wachsenden Anteil mit einer Zunahme der Ausbreitungsgeschwindigkeit korrelieren kann, dann kann man zuversichtlicher sein, dass es daran liegt.

  • "Top-Ökonomen" (die meist alles sind nur nicht Top, ausser natürlich beim Gehalt) sind gegen einen "Wirtschaftslockdown" was auch immer das genau sein soll.


    https://www.spiegel.de/wirtsch…10-4339-947c-97b47e12bd92


    Die entscheidende Frage wurde natürlich keinem Ökonomen gestellt:

    Wo sind die ökonomischen Konzepte um mit einer Pandemie im Sinne der Wirtschaft gescheit umzugehen. Pandemien gab es immer und wird es immer geben... wieso beschäftigen sich keine Ökonomen, insbesondere die toppigen darunter, nicht mit dieser essentiellen Frage, die alle paar Jahrzehnte zu erwarten ist?

    Und wenn doch... wieso sehen wir davon nix in den Medien sondern man erkennt nur ein rumgewurschtel?


    Wenn Ökonomen Aussagen zu Forderungen von Medizinern machen und offenbar kein Interesse haben, was es für medizinische Konsequenzen hat, die Wirtschaftsinteressen zu vertreten, wieso soll man umgekehrt erwarten dass sich Medzinier für die Wirtschaft interessieren?


    Wo sind die Vertreter die beides schon lange untersuchen und die beide Seiten akzeptieren? Wieso gibt's die nicht? Was läuft hier schief?

  • Wo sind die Vertreter die beides schon lange untersuchen und die beide Seiten akzeptieren?

    Ganz naive Deppen würden ja annehmen, dass man sich von seinem HartVerdientenSteuergeld™ in einer repräsentativen Demokratie ein politisches Führungspersonal hält, welches für solche Abwägungen zuständig sei.


    Aber solch unbedarftem Irrglauben haben der liebe Gott und die natürliche Ordnung im neoliberalen Spätkapitalismus in der sozialen Marktwirtschaft natürlich einen ideologischen Riegel vorgeschoben, und alles was eigentlich nicht direkt mit Ökonomie zu tun hat über diverse Marktmechanismen trotzdem von ihr abhängig gemacht.

  • https://www.welt.de/politik/de…zifischen-Massnahmen.html



    Der Expertenrat fordert daher, statt eines Komplett-Lockdowns drei zentrale Fragen zu klären.

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    Erstens: „Wie erfassen wir Struktur und Dynamik des epidemiologischen Geschehens besser?“ Es sei „erstaunlich und nicht hinnehmbar“, dass zu den tatsächlichen Ansteckungsorten seit dem Lockdown vor fast einem Jahr noch immer zu wenig bekannt sei. Die Experten sprechen sich für ein „interdisziplinär ausgerichtetes Monitoring“ aus, das vom Bund zentral koordiniert werden sollte. Zudem müsse die Corona-App weiterentwickelt werden. Scharfe Kritik äußern Streeck und seine Kollegen an den bisherigen Bedenken gegen eine bessere appbasierte Kontaktnachverfolgung.


    Die Gründe für das bisherige Unterlassen seien „eine realitätsferne Diskussion um Datenschutz sowie die mangelnde Bereitschaft, bereits vor Eintreten einer schwierigen Situation konsequent Vorbereitungen für ein differenzierteres Vorgehen zu treffen“, heißt es in der Stellungnahme.

    Zweitens: „Wie können wir eine stärker differenzierte Strategie ermöglichen?“ Was die Experten meinen: Mit den neu gewonnenen Daten sollen Entscheidungen getroffen werden, die differenzierter sind als die Debatte „pro oder contra Lockdown“. Eingriffe in die Alltagspraktiken der Menschen müssten nicht nur plausibel und konsistent, sondern auch praktisch handhabbar sein. Dazu gehöre auch die Frage, wie strikt sich die Bevölkerung überhaupt an Regeln hält.

    Drittens: „Wie kann es gelingen, die Umsetzungsdisziplin staatlicher Stellen zu erhöhen?“ Was nützen Maßnahmen, wenn sie vor Ort nicht umgesetzt werden können? „Die Stringenz und Verlässlichkeit der Umsetzung ist Teil eines funktionierenden Krisenmanagements“, mahnt das NRW-Gremium. Es sei der Gesellschaft nicht vermittelbar, dass privaten Akteuren wie selbstverständlich Anpassungsleistungen abverlangt würden, die in der Verwaltung dann nicht nachgehalten würden. Der seit Jahren offenbare Rückstand der staatlichen Verwaltung bei der Digitalisierung erweise sich jetzt als zusätzliche Bürde.

    An dieser Stelle kommen die Experten zu ihrem wohl vernichtendsten Urteil: Der Rückstand zeige sich „bei der Nachverfolgung der Infektionsketten durch die Gesundheitsämter“ und „bei der Umsetzung der Hilfen für vom Lockdown betroffene Branchen“. Die Diagnose sei ernst: „Es ist oftmals nicht der gute Wille oder die konzeptionelle Zielsetzung, die vor Ort fehlt, sondern neben mangelnder Führung die unzureichende technische Kompetenz und Stringenz.“

  • Dafür dass Laschet als Kopie von Merkel gehandelt wird, erzählen seine Experten aber immer was anderes.


    Es ist immer noch das gleiche Argument: Die Maßnahme Kontaktketten gezielt abzubrechen wird als Alternative zu einem "lockdown" verkauft. Das ist genau, was wir als Gesellschaft präferiert haben, aber nicht ausgereicht hat, weshalb wir die Kontrolle über die Epidemie verloren haben. So auch die Diagnose: Hier ist eine ganze Fülle von Problemen, warum es nicht funktioniert, vorallem herausgestellt als Versäumnisse. Diese Kritik ist zwar teilweise richtig, aber für die Behauptung eine Alternative zu sein, müsste man deutlich machen, wie sich die Misstände innerhalb sehr kurzer Zeit überhaupt abstellen lassen, damit man den shutdown aufheben kann. Und selbst das ist fragwürdig, da denke ich kaum jemand wirklich davon ausgeht, dass die Epidemie über einer gewissen Inzidenzschwelle mit diesen Maßnahmen unter Kontrolle zu bringen ist. Man braucht also andere Maßnahmen, wie den shutdown oder sogar einen lockdown, um unter die Schwelle zu kommen und dann kann man mit Kontaktverfolgung arbeiten. Aber dahin wieder kommen, wollen auch all diejenigen, die das nicht so verkaufen, als müsste man es einfach nur mal machen.


    Vorallem ein vermutlich entscheidender Punkt nämlich eine stärker überwachte Quarantäne, vielleicht separate Quarantäneeinrichtungen, wo die Kontaktpersonen versorgt werden, sowas wird nicht gefordert, weil es zu unpopulär ist.

  • Na, die stärkeren Maßnahmen zu vermeiden.


    Kommst du nicht aus Deutschland?

    Da will einer "nur Fragen stellen" dünkt mir.


    Obskure Randnotiz: In LA werden jetzt die Luftreinhaltungsregularien ausser Kraft gesetzt damit die Krematorien mit dem Verbrennen hinterherkommen.


    Also quasi wie jedes Jahr zur Grippesaison.


    https://www.latimes.com/califo…s-vaccine-update-pandemic


    Zitat

    So many people have died in Los Angeles County that officials have temporarily suspended air-quality regulations that limit the number of cremations. Health officials and the L.A. County coroner requested the change because the current death rate is “more than double that of pre-pandemic years, leading to hospitals, funeral homes and crematoriums exceeding capacity, without the ability to process the backlog,” the South Coast Air Quality Management District said Sunday.

  • Mega-Lockdown - wer hat das eigentlich erfunden? Und diesmal könnte tatsächlich sogar ein bisschen lockdown mit drin, wenn ich das richtig verstehe.

    Der richtige Lockdown nach China-Standard ist dann wahrscheinlich, nicht der Giga, nicht der Teta, nein der Peta-Lockdown... oder exa oder kA. Es gibt immer noch ein größeren Fisch, wobei man auch einfach ein passenden Maßstab wählen könnte.

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