Diskussionen zu Interessanten News, Sendungen, Links und sonstigen Aufregern des Tages

  • Sogar der sicher jeder Staatsfeindlichkeit unverdächtige Herr Fassadenschutzpräsident differenziert da beim Springer-Fernsehen allerdings ganz explizit zwischen mehrheitlich legitimen DemonstrantInnen gegen die Corona-Maßnahmen und einer extremistischen Gruppe von "staatsfeindlichen" Subjekten, die sich - seiner interessanten amtlichen Auffassung nach - weder "links" noch "rechts" verorten.


    Nachtwey und Amlinger reden in ihrem von mir zitierten Interview zum Buch ("Gekränkte Freiheit" - das ich nicht gelesen habe) ebenfalls an keiner Stelle pauschal von staatsfeindlichen ExtremistInnen, sondern sie versuchen zu erklären, was die Corona-Proteste antreibt, und warum sie das unter dem von ihnen verwendeten Begriff "libtertärer Autoritarismus" verorten.

    Auch in der Studie von Nachtwey et al. für die Universität Basel wird nicht postuliert, dass die Querdenker allesamt gefährliche ExtremistInnen seien. Die AutorInnen stellen lediglich fest, dass eine Mehrheit der erfassten TeilnehmerInnen eher Angestellte und Selbständige als ArbeiterInnen oder Erwerbslose waren und sogar ursprünglich eher aus dem "links-"liberalen Lager kamen, sich dann aber nach rechts geöffnet hätten.


    Da wird gar keine Aussage darüber getroffen, ob die Proteste als solche legitim waren oder nicht.

  • Wenn Du kein Problem damit hast, dass AfD-VertreterInnen und offen Rechtsradikale in Deiner Demo mitlaufen, und wen Du die Linke (außer- wie innerparlamentarisch) der Kollaboration mit dem Merkel-Regime bezichtigst, wie anders als "rechts offen" soll man das dann als eher kapitalismuskritischer Soziologe benennen?


    Und wenn Du mit dem Gesetzbuch in der Hand deine bürgerliche Freiheit einforderst, was ist das dann anderes als ein Bekenntnis zu genau der bürgerlichen Gesellschaft, gegen die sich die radikale Linke positioniert?


    Und wenn die uniformierte Staatsgewalt dann den Wasserwerfer auf sanftes Beregnen einstellt, um Deine nicht genehmigte Versammlung aufzulösen, während sie ihn anderenfalls mit Hochdruck auf linke Proteste feuern lässt - welche der beiden öffentlichen Unmutsbekundungen lässt der Staat dann eher gewähren, als die andere?

  • Da wird Chomsky aber jetzt verbogen. Es geht nicht darum, ob man etwas ausdrücken kann, sondern ob das akzeptiert wird. Der umgedeutete Begriff Querdenker formuliert dabei bereits selbst die Grenze, ohne sie konkret zu machen. Er ist diffus genug, um jede Kritik damit zu etikettieren, die Grenze jederzeit zu verschieben und gleichzeitig stellt er allein durch die Wortwahl die klare Abgrenzung des tagesaktuellen akzeptierten Spektrums dar, zu dem man besser nicht querstehen sollte.


    Die Mechanismen in unsere westlichen Demokratien haben weniger mit harter Unterdrückung zu tun als mit Soft Power. Ob du deine Position im bildlichen Sinn auf die Straße bringen kannst, ist dabei erstmal zweitrangig, wenn die geballte Konsensmanufaktur dich pauschal als Spinner, Demokratiefeind, Rechts-/Links-/Umwelt-Terroristen oder Verschwörungsrheoretiker betitelt, dich in der Wahrnehmung marginalisiert und dir mit institutionellem Druck gedroht wird.


    Besonders effektiv wirkt das, weil man so zuverlässig kritische Bewegungen spalten kann, ohne sie zerschlagen zu müssen, weil niemand möchte außerhalb dieser Grenzen stehen und die, die dabei bleiben, sie gegebenenfalls radikalisieren.


    Gefährlich wird es für Regierende und ihre Sponsoren, wenn politische Spektren überwunden werden. Da ist es natürlich hilfreich, wenn Neoliberalinskis an jeder Stelle den Kommunismus wittern oder wenn sich Neomarxisten freiwillig von bürgerlichen Bürgerrechtlern distanzieren und beide ihre Peer Group entsprechend bearbeiten und Misstrauen säen, auch indem sie sich dabei ausgiebig an den von der Konsensmanufaktur ausgegebenen Argumentationsmustern bedienen.


    Sollte sich wider erwarten doch mal eine erfolgreiche Protestbewegung mit positiver öffentlicher Wahrnehmung und ohne größere Differenzen bilden, wie im Fall von Occupy Wallstreet, so kann man die immer noch leicht spalten, indem man einzelne Führungspersönlichkeiten bevorzugt behandelt, z.B. mit einer Einladung in den Buckingham Palast.

  • Ob du deine Position im bildlichen Sinn auf die Straße bringen kannst, ist dabei erstmal zweitrangig, wenn die geballte Konsensmanufaktur dich pauschal als Spinner, Demokratiefeind, Rechts-/Links-/Umwelt-Terroristen oder Verschwörungsrheoretiker betitelt, dich in der Wahrnehmung marginalisiert und dir mit institutionellem Druck gedroht wird.

    Wenn man liest, was in der Studie steht, ohne sich irgendwelche Metabedeutungen dazu zu interpretieren, dann sieht man, dass da eigentlich eher gegen den weitläufigen "Konsens" der Hauptstromberichterstattung argumentiert wird, welcher das Querdenkertum und die Coronaproteste allesamt als rechtsradikal oder zumindest als vollkommen unvernünftig dargestellt hat.


    Wenn man natürlich Wert darauf legt, sich als "weder links noch rechts" einfach nur für die "Bürgerrechte" zu engagieren, dann ist alles, was versucht, eine Einordnung zwischen bürgerlichen und nicht-bürgerlichen Gesellschaftsvorstellungen zu machen, irgendwie gezieltes "Framing" und Teil der sinistren "Konsensmanufaktur".

    wenn sich Neomarxisten freiwillig von bürgerlichen Bürgerrechtlern distanzieren und beide ihre Peer Group entsprechend bearbeiten und Misstrauen säen, auch indem sie sich dabei ausgiebig an den von der Konsensmanufaktur ausgegebenen Argumentationsmustern bedienen.

    Was ist denn eigentlich dieser "Neo-Marximsus"?


    Worin unterscheidet der sich von der Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft, die schon Marx selbst zum Kern seiner Kapitalismus- und der dazu gehörigen Ideologiekritik gemacht, und mehr als ausführlich begründet hat?


    Der Sinn der "Konsensmanufaktur" nach Chomsky & Herman ist es nicht primär, den herrschenden Regierungsparteien ihre jeweilige Macht zu sichern, sondern die bürgerliche Klassengesellschaft und ihre kapitalistische, imperialistische Grundlage als alternativlos zu etablieren und zu erhalten.

    Wer da gerade die exklusive Repräsentanz des Wählerwillens für sich in Anspruch nimmt, ist dazu eigentlich irrelevant, weil diese "Maschinerie" ein Selbstläufer ist, der von der herrschenden ideologie angetrieben wird.

    Dass die von Leuten, die von ihr profitieren befeuert wird ist klar. Aber selbst die bürgerlichen Medienkritiker Precht und Welzer stellen fest, dass im Mainstream-Betrieb eine Selbstangleichung statt finde, und dass da nicht einfach auf Befehl von ganz Oben die Wahrheit manipuliert werde.


    Der Protest der "Querdenker" (<- das ist der Name den die sich selbst gegeben haben) und der Leute, die sich ihnen auf der Straße angeschlossen haben, hat sich nie gegen die bürgerliche Klassengesellschaft, gegen ihren herrschenden ideologischen Freiheitsbegriff, oder gar gegen den ihr zugrunde liegenden Kapitalismus selbst gerichtet, sondern immer nur gegen sein derzeitiges politisches Management.
    Die Forderung war nicht der Systemwechsel, sondern der Regime Change zum Zweck der Wiederherstellung jenes lieb gewonnenen Gefühls, als "freier" Bürger in einer "freien" Gesellschaft leben zu können, sich keine Gedanken darüber machen zu müssen, was das für Auswirkungen auf den Rest der Welt, oder auf andere Mitglieder der selben Gesellschaft hat, die sich darin nicht so frei und unbeschwert der eigenen privaten Wohlstandsmehrung und Selbstverwirklichung hingeben können, und die Staatsgewalt nicht dafür kritisieren zu müssen, dass sie den Erhalt dieser für das eigene Wohlbefinden so nützlichen Ordnung zur Not auch mit aller Brutalität gegen deren innere wie äußere Feinde durchsetzt.

  • Also ich sehe es ja so dass viele die auf Querdenker Demos gehen eigentlich Linke im Herzen sind. Sie wissen nur nicht dass sie eigentlich Links sind, weil das Links Rechts Schema so vergewaltigt wurde dass keiner mehr weiss was das eigentlich ist. Manche halten das Links und Rechts Schema ja sogar für überkommen. Es gibt nur noch die Mitte (Mainstream, TINA), und Links und Rechts sind da nur störend. Links ist nun wer gendert, rechts ist wer Flüchtlinge nicht will. Die ökonomische, politische Bedeutung ist weg. So wird man dann eben Querdenker. Und kann so wiederum leicht aussortiert und wegdiskriminiert werden.

  • Die Querdenker haben sich vermutlich mal so benannt, weil der Begriff vor der medialen Umdeutung positiv besetzt war.

    Du weißt natürlich auch, dass er seither zum Schimpfwort gemacht wurde und pauschal benutzt wird.

    Kapitalismus wurde auch mal als negative Beschreibung erdacht, wurde sich aber angeignet und jetzt verfängt das nicht mehr, wie gedacht.


    Hab ich bei dir alles schon tausend mal gelesen. Ist doch ok, wenn du da keine Kompromisse machen kannst und die sich abgrenzende "radikale Linke", genauso.


    Ich warte halt immer noch auf eure anschlussfähige systemkritische Protestbewegung, der ich folgen kann und darf und die aus mehr als ein paar Parteisoldaten besteht und inhaltlich mehr zu bieten hat als ein Glaubensbekenntnis zum Demokratischen Rechtsstaat, gegen Kapitalismus, für westliche Werte und gegen eine diffuse Gefahr von rechts, während dieser Rechtsstaat in seiner verfassten Form gerade eifrig zurückgebaut wird.


    Da gab es die Chance und Notwendigkeit des Jahrhunderts und nichts war zu sehen, außer Querschüssen, pun intendet.


    Nun gut, dank geopolitischer Schieflage und ökonomischem Druck unserer Schutzmacht folgt jetzt direkt die nächste und noch größere Chance. Nutzt Sie!

  • Ich warte halt immer noch auf eure anschlussfähige systemkritische Protestbewegung, der ich folgen kann und darf und die aus mehr als ein paar Parteisoldaten besteht und inhaltlich mehr zu bieten hat als ein Glaubensbekenntnis zum Demokratischen Rechtsstaat, gegen Kapitalismus, für westliche Werte und gegen eine diffuse Gefahr von rechts,

    Kannst Du mir mal zeigen, wo ich hier irgendwo ein Glaubensbekenntnis zum Demokratischen Rechtsstaat (der vor allem das Recht auf Eigentum sichert), dabei aber gleichzeitig gegen den Kapitalismus (der diesen Rechtsstaat überhaupt erst nötig macht und ermöglicht), für westliche Werte (die den Widerspruch zwischen bürgerlicher Freheit und ihrer gewaltsamen Absicherung durch die Staatsgewalt nach innen wie nach außen ideologisch verklären), und gegen eine "diffuse" Gefahr von rechts (die überhaupt nicht diffus ist, weil sie gerade im Dienste der Rettung des kapitalistischen, bürgerlichen, demokratischen Rechtsstaates vor sich selbst und seinen äußeren Feinden parteiübergreifend angetrieben wird) gefordert hätte?


    Bin ich die Linkspartei?

  • weil das Links Rechts Schema so vergewaltigt wurde dass keiner mehr weiss was das eigentlich ist.

    Warum weiß das keiner mehr? Wer hat das "vergewaltigt"?


    Ist ja nicht so als hätten Linke nicht seit Generationen dicke Bücher damit voll geschrieben, was Links von Rechts ganz fundamental unterscheidet.


    Man muss halt Willens sein, sich nicht von irgendwelchen bürgerlichen, bauchlinken KulturkämpferInnen und ihren nicht minder bürgerlichen, konservativen bis reaktionären Gegenspielern einreden zu lassen, dass progressiver Neoliberalismus und grüner Kapitalismus irgendeiner linken Tradition entsprünge.

  • Warum weiß das keiner mehr? Wer hat das "vergewaltigt"?

    Dass Du das weisst und einen ganzen Bücherschrank oder zwei voll mit Literatur dazu hast ist mir klar. Es gibt aber auch andere, die keinen blassen Schimmer haben. Ich zum Beispiel habe erst vor ein paar Jahren gepeilt was rechts und links wirklich bedeutet. Vorher habe ich (übertrieben formuliert natürlich) genau das geglaubt:

    Links ist nun wer gendert, rechts ist wer Flüchtlinge nicht will.

  • Also ich sehe es ja so dass viele die auf Querdenker Demos gehen eigentlich Linke im Herzen sind. Sie wissen nur nicht dass sie eigentlich Links sind, weil das Links Rechts Schema so vergewaltigt wurde dass keiner mehr weiss was das eigentlich ist.

    Am besten wäre, wenn du ihnen das erklärst. Freu mich auf deinen positiven Bericht. Mach mal :thumbup:

  • Ich zum Beispiel habe erst vor ein paar Jahren gepeilt was rechts und links wirklich bedeutet.

    Na siehste. Bei Dir hat's schon mal funktioniert, dass irgendwer was dazu gesagt oder geschrieben hat.


    Man muss es halt leider auch anderen Leuten erklären und sich ggf. unbeliebt machen. Auf social media geht das so gut wie gar nicht, weil es natürlich mehr Aufmerksamkeit und Denkarbeit erfordert, als eine insta-story oder eine handvoll tweets zu konsumieren.

  • Kannst Du mir mal zeigen, wo ich hier irgendwo ein Glaubensbekenntnis zum Demokratischen Rechtsstaat (der vor allem das Recht auf Eigentum sichert), dabei aber gleichzeitig gegen den Kapitalismus (der diesen Rechtsstaat überhaupt erst nötig macht und ermöglicht), für westliche Werte (die den Widerspruch zwischen bürgerlicher Freheit und ihrer gewaltsamen Absicherung durch die Staatsgewalt nach innen wie nach außen ideologisch verklären), und gegen eine "diffuse" Gefahr von rechts (die überhaupt nicht diffus ist, weil sie gerade im Dienste der Rettung des kapitalistischen, bürgerlichen, demokratischen Rechtsstaates vor sich selbst und seinen äußeren Feinden parteiübergreifend angetrieben wird) gefordert hätte?


    Bin ich die Linkspartei?

    Natürlich nicht. Das waren nur die einzige wahrnehmbaren alternativen Protestforderungen, die sich zumeist auch explizit als Gegendemonstration verstanden haben wollten.


    Und wer weiß schon, wer oder was die Linkspartei ist bzw. wer dafür steht, oder wofür sie selbst. Gerade nehmen wieder reihenweise Anhänger, Mitglieder und Funktionäre an einer Kampagne gegen sich selbst teil, weil ihr ungeliebtestes, aber beliebtestes Mitglied die Grünen als aktuell gefährlichste Partei bezeichnete. Meine Hamburger Bundestagsabgeordnete hat nicht mitgemacht. Die gehört dann wohl zum Wagenkecht-Flügel.

  • Am besten wäre, wenn du ihnen das erklärst. Freu mich auf deinen positiven Bericht. Mach mal :thumbup:

    Hinter deinem Beitrag steht glaube ich das Missverständnis Alle Querdenker = Reichsbürger oder Nazi. Das mag teilweise so sein, vor allem im Osten. Die sind natürlich keine Linke im Herzen. Deswegen schrieb ich „viele“. Komisch dass man sowas erklären muss.

    2 Mal editiert, zuletzt von Vecna () aus folgendem Grund: Wichtige Ergänzung

  • Na siehste. Bei Dir hat's schon mal funktioniert, dass irgendwer was dazu gesagt oder geschrieben hat.

    Wenn alle so langsam sind wir ich, und es sieht danach aus dass die noch viel langsamer sind, dann sind wir schon mitten in der Dystopie ehe es ein paar gerafft haben. Dann werden Protestierende wohl mit Baggern weggefahren werden wie in meiner Lieblings-Öko-Dystopie.

  • Hinter deinem Beitrag steht glaube ich das Missverständnis Alle Querdenker = Reichsbürger oder Nazi. Das mag teilweise so sein, vor allem im Osten. Die sind natürlich keine Linke im Herzen. Deswegen schrieb ich „viele“. Komisch dass man sowas erklären muss.


    "viele die auf Querdenker Demos gehen"

    Menschen die auf Querdenker Demos gehehen, sind definitiv keine Linken. Wenn dann stehenen sie auf der anderen Straßenseite.

  • Also ich sehe es ja so dass viele die auf Querdenker Demos gehen eigentlich Linke im Herzen sind. Sie wissen nur nicht dass sie eigentlich Links sind, weil das Links Rechts Schema so vergewaltigt wurde dass keiner mehr weiss was das eigentlich ist. Manche halten das Links und Rechts Schema ja sogar für überkommen. Es gibt nur noch die Mitte (Mainstream, TINA), und Links und Rechts sind da nur störend. Links ist nun wer gendert, rechts ist wer Flüchtlinge nicht will. Die ökonomische, politische Bedeutung ist weg. So wird man dann eben Querdenker. Und kann so wiederum leicht aussortiert und wegdiskriminiert werden.

    Ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten, in den Querdenkern schlummert ein radikal (linkes) Potential :) Meistens hat deren Kritik den richtigen Ausgangspunkt, aber sie ziehen die falschen (und katastrophalsten) Schlussfolgerungen daraus. Was halt an Social-Media und deren Narrativen liegt, in denen nicht die wirklichen Probleme zum Ausspruch kommen. Und den Querdenkern wird auch keine linke Alternative angeboten (wie es z. B. die demokratisierung der Wirtschaft sein könnte).

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