#483 - Karl Lauterbach (SPD)

  • (Quelle: https://www.abgeordnetenwatch.…l-lauterbach/abstimmungen)


    Hintergrund: https://www.abgeordnetenwatch.…r-grundsicherung-erhoehen


    Der weniger erfolgreiche Teil der Bevölkerung wird sozusagen doppelt geschützt - einmal vor der Seuche und dann gleich nochmal vor schädlichem Müßiggang aufgrund zu viel sozialer Wohltaten™.


    Nicht dass noch einer auf die Idee käme in einer globalen Wirtschaftskrise mit dem Arbeiten aufzuhören!


    Das ganze Elend der Sozialdemokratie.

  • Die Qualitäten Lauterbachs zeigen sich nicht an solchen Entscheidungen von vor 10 Jahren. Sie zeigen sich daran, dass er in der Lage ist, die damals gemachten Fehler zu erkennen und willens ist, sie zu korrigieren. Genau diesen Willen hat er im Interview gezeigt.

    nein. im gegenteil: der neoliberalismus auf dem arbeitsmarkt wird nun, auch von ihm, ins gesundheitssystem übertragen. bei 1:33:30 rum einfach mal genauer zuhören, dann wird die menschenfeindliche ideologie und sein interesse an profitorientierter wirtschaftsweise (zwischenzeitlich rund 15%) im gesundheitswesen deutlich. auf wessen kosten werden diese profite wohl eingestrichen? ;) rhetorische frage.

    was man ihm zu gute halten kann: er hat schon vor einführung bspw der praxisgebühr gewusst, dass sie keine gute idee ist und vor der einführung der fallpauschale gesagt, dass das schlecht wird. von anträgen, diese politik rückgängig zu machen, habe ich aber nichts mitbekommen.

  • Lauterbach ist also auf Grund seiner Erfahrungen in den USA in die deutsche Politik gegangen. Er hat in Amerika gesehen wie prekäre Verhältnisse zu einem ungesunden Leben und damit zu vielen Krankheiten führen. Und seine Lösung dafür sah er dann darin auch in Deutschland per Agenda 2010 diese prekären Verhältnisse einzuführen? Wo da die Logik sein soll konnte man in den langen drei Stunden leider nicht erfahren. Auch nicht woher sein Sinneswandel kam. Seine Lösung ist nun die Verhältnisse wieder herzustellen die vor der Agenda 2010 eingeführt wurden. Und selbst dieses Eingeständnis scheint nicht ernst gemeint zu sein, wenn man sich die von Utan gespostete Abstimmung anschaut.

    Er wollte soziale Verelendung verhindern, aber hat dabei geholfen sie zu verstärken. Kurz bevor die Agenda 2010 eingeführt wurde, arbeitete ich Teilzeit im Lager und hatte Netto monatlich ca. 900 Euro. Ich hatte psychisch eine sehr schwere Zeit hinter mir und war gerade dabei mich wieder zu fangen. Ich hatte mich bewußt dazu entschlossen Teilzeit zu arbeiten (und dementsprechend mit wenig Geld auszukommen) um mehr Zeit zu haben mich sozial für Kinder zu engangieren. Doch bereits nach 18 Monaten wurde meine Stelle gestrichen, ich wurde arbeitslos und lebte von Arbeitslosenhilfe. Anfangs wurde ich weitgehend in Ruhe gelassen und konnte (mit viel weniger Geld) wenigstens an meinem sozialen Engangement weiterarbeiten. Dann kam Hartz 4 und der Druck wurde so hoch, dass meine alten psychischen Probleme wieder aufflammten und ich entsprechend gelähmt war. Einerseits war ich verpflichtet Vollzeitstellen anzunehmen, da dank der Agenda (Leiharbeitgesetz) Teilzeitstellen finanziell nicht mal mehr das Nötigste abdeckten. Andererseits wurden mir aber kaum Stellen vermittelt auf die ich mich bewerben konnte. Stattdessen zwang man mich zu Bewerbungstraining und 1-Euro-Jobs. Das zog sich über 4 Jahre hin. Erst durch Connections(!) meiner Mutter zu einer Leihfirma bekam ich überhaupt an einen Job.


    Und da erlebte ich dann mit voller Wucht was die Arbeitsmarktreformen bewirkt hatten. Während ich als Lagerarbeiter 20 Stunden die Woche relativ chillig Neuwaren auspackte, auszeichnete und in den Verkaufraum stellte, mußte ich nun als Leiharbeiter für das selbe(!) Geld 40 Stunden die Woche in Wechselschicht und Sonntagsarbeit am Band stehen und Autoteile verpacken. Das hielt ich nur ein knappes Jahr durch.
    Dank amtsärztlicher Gutachten konnte ich nach jahrelangen Kampf glücklicherweise erreichen, dass ich heute nur noch in Teilzeit arbeiten und keine Leiharbeit mehr machen muss. Leider sind auch die Teilzeitjobs dank der Reformen inzwischen mit so einem hohen Arbeitspensum verbunden, dass sie einem fast so viel Energie rauben wie es früher eine 40-Stunden-Woche tat.
    Trotzallem stehe ich jetzt endlich kurz davor mein Musikprojekt - bei dem es um Kinderrechte geht - fertig zu stellen. Auch wenn es nicht darauf ausgelegt ist, hat dieses Projekt vielleicht sogar das Potenzial mich finanziell unabhängig - und damit auch unabhängig von (aufstockender) Arbeitslosenhilfe - zu machen. Wäre der jahrelange lähmende Druck und die Vollzeitarbeit nicht gewesen wäre ich ziemlich sicher schon etliche Jahre früher an diesen Punkt gekommen und hätte somit weniger finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen müssen.


    Lauterbach hat in Amerika Menschen behandelt die wegen sozialer Mißstände krank wurden, aber er versteht bis heute nicht was sie dort hinbrachte. Es wird gerne behauptet Erwerbslose verfallen dem Alkohol, dem Tabbak und/oder der Fettsucht, weil sie nichts zu tun hätten und sich daher gehen ließen. Ich habe in den ganzen Jahren Kollegen kennengelernt die genau diesen Süchten verfallen waren, trotz Arbeit. Ich behaupte diese schlechtbezahlte, perspektivlose und undankbare Arbeit hat sie überhaupt erst in die Sucht getrieben oder hält sie zumindest darin gefangen.
    Überlegt mal, ihr arbeitet 40+ Stunden in einem Job der monoton, körperlich anstrengend und schlecht bezahlt ist. Hättet ihr dann abends noch die Energie irgendeinem erfüllenden Hobby, Sport oder Ehrenarbeit nachzugehen? Das einzige was einen da noch "erfüllen" kann sind Essen und Drogen.
    Ich selbst hatte glücklicherweise nie etwas für Drogen übrig, aber war dafür einige Jahre lang übergewichtig. Erst der Entschluss mein Leben den Kinderrechten zu widmen hat mir eine Orientierung gegeben und motivierte mich in einer joblosen(!) Phase dazu das ganze Gewicht wieder loszuwerden. Und nur wegen meiner Vorgeschichte mit Depressionen und Suizidversuchen wurde ich (dank der ärztlichen Gutachten) vor den schlimmsten Jobs verschohnt.
    Die meisten anderen in meiner Situation sind dem schutzlos ausgeliefert. Sie haben dadurch gar keine Möglichkeit sich zu entfalten und Wege aus ihrer Situation zu finden.

    _Das_ ist es was diese Menschen eigentlich süchtig und krank macht, nicht ein fehlender Job.


    Wieviel weniger Menschen hätten ohne die Agenda 2010 heute eine chronische Krankheit? Wieviel besser wäre das Gesundheitssystem heute aufgestellt (auch in Bezug auf Covid-19)?

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