Mord an Samuel Paty: Versäumnis nichtrassistischer Islamismuskritik der Linken?

  • Eine kurze Frage zur (selbst) Überprüfung ist: Braucht's des? Geht beim Einkaufen wie bei vielem Anderen.

    Warum eine linke Islamkritik? Was soll das denn sein? Gilt die nur für Linke, oder muss die Linke der Welt die Religionen erklären?

    Auf diesen ganzen Identitätskladderadatsch (im identity politics Sinne) komm ich eh nicht gut klar (aka calling bullshit), wenn es was zu kritisieren gibt, dann doch bitte allgemein. Sonst ist die Kritik wieder bloß dem eigenen Zirkel zugänglich und das kann man sich ja dann auch sparen, wenn man die Selbstdarstellung nicht dringend braucht.

    Braucht es geköpfte Lehrer? Hatte das was mit Religion zu tun oder nicht? Man könnte zum Beispiel sagen, man sollte die passenden Argumente finden, um auf diese Fragen zu reagieren. Dein "don't play the game" ist entgegen der Moral von Ginsberg's Theorem:


    (bzw. vielleicht muss man sich aus klassisch linker Position die Mühe machen, den Kulturkampf-Diskurs in Klassenkampf-Diskurs zu übersetzen)


    Zu Identitätskladderadatsch: ich sagte linke Kritik, nicht liberale Kritik. Die kann erstmal darin bestehen, Grenzen zu ziehen für Toleranz und auch Kultur und bspw. Fragen, ob man Hetzreden in kirchlichen Einrichtungen explizit verboten werden sollten. Ich klinke mich erstmal aus, weil ich auch keine festen Punkte habe und wir uns wahrscheinlich ewig drehen können.

  • Eine kurze Frage zur (selbst) Überprüfung ist: Braucht's des? Geht beim Einkaufen wie bei vielem Anderen.

    Warum eine linke Islamkritik? Was soll das denn sein? Gilt die nur für Linke, oder muss die Linke der Welt die Religionen erklären?

    Auf diesen ganzen Identitätskladderadatsch (im identity politics Sinne) komm ich eh nicht gut klar (aka calling bullshit), wenn es was zu kritisieren gibt, dann doch bitte allgemein. Sonst ist die Kritik wieder bloß dem eigenen Zirkel zugänglich und das kann man sich ja dann auch sparen, wenn man die Selbstdarstellung nicht dringend braucht.

    na ja im grunde sind linke halt die, von denen man erwartet, dass die am tolerantesten gegenüber immigranten, also auch vielen muslimen sind. so und weil dann ein geringer anteil an fundamentalistischen muslimen solche taten begeht, ist das natürlich ein gefundenes fressen für konservative so zu tun, als ob linke das nicht kritisieren könnten, weil sie ja freundlich und tolerant gegenüber immigranten sein müssen und so auf die vermeintliche scheinheiligkeit der linken hinzuweisen.


    nur das man eben durchaus solche taten kritisieren und trotzdem tolerant sein kann und diese ganze argumentation einfach nur perfide ist. gerade wenn man bedenkt, dass die instrumentalisierung dieser verbrechen dann natürlich auch wieder gegengewalt hervorruft, die dann eben vor allem muslime ausbaden müssen. verstehe also sehr gut, dass "die linke" sich da nicht vor den karren spannen lässt.


    vor ein paar wochen hat paul krugman, us-establishment ökonom auf twitter einen ziemlichen shitstorm ausgelöst, weil er behauptet hat, die us-bevölkerung habe auf 9/11 eher milde gegenüber den muslimen in den usa reagiert. ich möchte jedem, der sich hier lautere distanzierung von solchen fundamentalistischen taten fordert empfehlen, sich die replies auf diesen tweet durchzulesen.


    und bevor jetzt wieder irgendwer daherkommt und mir vorwirft, ich würde mich nicht stark genug von solchen taten wie in frankreich distanzieren... diese taten sind abscheulich und rufen durch die brutale art und weise eine besondere emotionale reaktion hervor. das hat in dieser gesellschaft keinen platz, aber man sollte trotzdem bedenken wie man damit am besten umgeht, um die überwältigende mehrheit der friedlichen muslime nicht zu gefährden und die spaltung nicht weiter voranzutreiben. gleichzeitig muss man natürlich versuchen, solche taten zu verhindern. ich glaube in deutschland oder frankreich ausgebildete islam-lehrer wären auf jeden fall ein schritt in die richtige richtung, sowie investitionen in bildung allgemein, vermeidung von ghettos, mindestlohn, soziale sicherheitsnetze etc... ganz verhindern wird man sowas aber vermutlich nie können, so ehrlich muss man da auch sein. zumindest nicht so lange die usa mithilfe des westens viele ursprungsländer des islams mit drohnen überziehen..

  • Apropos Charlie Hebdo



  • Es geht darum ein Zeichen zu setzen, sich zum Teil der Gesellschaft eines Staates zu erklären, wenn man so will. Wenn das nicht passiert, und ich sehe das schlicht nicht, dann hat das in Verbindung mit solchen, dummerweise nunmal unfraglich einer bestimmten Religion zuordenbaren, Gräueltaten eine Wirkung auf die öffentliche Wahrnehmung.

    Das kannst Du reflektiert auseinandernehmen wie Du magst, die Wirkung siehst Du in der Bevölkerung, zum Teil in den Wahlergebnissen und in den weit verbreiteten Ressentiments.

    Klar ist das doof für die gemäßigten Muslime, die mit diesen Taten überhaupt nichts zu tun haben, aber so ist nunmal die Situation. Und gerade wir hier in Deutschland kennen uns doch eigentlich gar nicht so wenig damit aus, wie es ist, aktiv gegen etwas aufzutreten, was wir selbst weder ideologisch vertreten, noch irgendwie daran beteiligt waren. Ist das auch so lächerlich?

    Also, der große Philosoph, Menschenrechtsaktivist und ausgewiesene Experte für internationale Beziehungen Markus Lanz würde mir jetzt sicher whataboutism (alte KGB/FSB-Technik übrigens!) attestieren, wenn ich schreibe:


    Aus der Sicht vieler Muslime - da kommen über die Zeit global betrachtet sicher so ein paar hundert Millionen zusammen - verhält es sich hingegen so, dass es die allermeisten BürgerInnen christlich-abendländischer Staatsgesellschaften seit vielen Jahrzehnten sträflich versäumt haben, mutig und entschlossen ein Zeichen™ dagegen zu setzen, dass ihre demokratisch gewählten Regierungen Raketen, Kampfflugzeuge, bewaffnete Drohnen, Panzerbrigaden, und Söldnerheere in muslimisch geprägte Länder schicken, um unschuldige ZivilistInnen, vom Säugling bis zum Greis, nicht nur von ihren Häuptern, sondern auch von sämtlichen anderen Körperteilen zu trennen oder anderweitig bestialisch ums Leben zu bringen, und das dann als leider nicht zu vermeidende Kollateralschäden humanistischer Interventionen im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Terror zu verkaufen, während man gleichzeitig mit halsabschneiderischen Diktaturen aller couleur oder mit wahabitisch-fundamentalistischen Feudalherrschaften dicke Geschäfte macht, die bei ihren eigenen überaus gewaltsamen Anstrengungen gegen unliebsame Gegner ihrer selbstdefinierten Wertesysteme noch wesentlich weniger zimperlich sind, und sich dabei auch noch hinter religiöser Dogmatik verstecken, damit es nicht gar so sehr auffällt, dass es ihnen eigentlich auch nur um ihren eigenen Macht- und Reichtumserhalt geht.


    Damit wären natürlich in keiner Weise Gräueltaten islamistischer Extremisten wie die kürzlich in Frankreich begangene zu rechtfertigen. Aber jetzt kollektive Empörung über den tragischen Verlust eines einzigen unschuldigen Menschenlebens zu fordern nur weil es in einem Kernland des Wertewestens medienwirksam grausamer Gewalt zum Opfer gefallen ist, während außerhalb solcher Inseln der öffentlichen Sicherheit täglich Menschen systematisch, und zum Teil mit Waffensystemen aus westlicher Wertarbeit ums Leben gebracht werden, für deren Einzelschicksale oder für das Leid ihrer Hinterbliebenen sich hier in den Mutterländern der säkularen humanistischen Aufklärung keine Sau interessiert, erscheint dann doch ein bisschen sehr einseitig zu Gunsten der eigenen Lebenswirklichkeit mit zweierlei Maß gemessen.


    [Edit: P.s.: Wer jetzt - wie etwa das wertewestliche "liberale" bis konservative Kommentariat - lauthals fordert, es müssten irgendwelche staatstragenden, gesellschaftsübergreifenden Zeichen gegen den militanten Islamismus gesetzt werden und das dabei auf eine Weise tut, die prinzipiell ca. 1,8 Milliarden Menschen auf der Welt unterstellt, sie würden solche Untaten billigen oder gar gutheißen, wenn sie sich nicht demonstrativ in aller Öffentlichkeit davon distanzierten, der tut genau das was sich fundamentalistische Hassprediger erhoffen, wenn sie ihren AnhängerInnen einreden, im Kampf gegen die Ungläubigen sei ihrem Gott jedes Mittel recht.]

  • Wemir auf die Frage, welche Linke, da würde ich gar nicht mal groß differenzieren wollen, weil der bloße Effekt einer solchen Debatte eigentlich nur schädlich ist. Man kann sie natürlich lostreten, sollte sich aber im Klaren darüber sein, dass alles Gesagte von “den Rechten“ dazu genutzt wird, um “den Linken“ Untätigkeit, Inkonsequenz und überhaupt ein völlig realitätsfernes Menschenbild zu attestieten. Ich bin auch ein Träumer.


    Was wäre nun eine vernünftige Handlung gewesen? Macron hätte sich nun auch vor die TV-Kameras stellen können und der Bevölkerung sagen können, dass die Tat abscheulich war und der Hintergrund der Geschehnisse ihn sehr betrüben. Dann hätte er sagen können, dass er aber keinen weiteren Handlungsbedarf sieht, weil er als gewählter Präsident Frankreichs auch die muslimischen Bürger repräsentiert und sich sicher ist, dass der absolute Großteil der islamischen Community diese Tat ebenso verurteilt. Und rate mal, was der FN aus solchen Aussagen stricken würde (und Macron ist in diesem hypothetischen Paralleluniversum tatsächlich für mich links zu verorten.

  • Die Antwort ist jz aber auch ziemlich müßig oder?

    Vielleicht hab ich ja morgens meinen kleinlichen, aber:

    - dieses Ginsbergsche Theorem ist eine nette Science-Zote, mehr nicht

    - mein "don't play the game" sollte selbst innerhalb des "Theorems" möglich, mach dich einfach zum abgeschloßenen Subsystem (stell den Massen-, Arbeits- und Wärmeaustausch mit deiner Umgebung ein).


    Zu Identitätskladderadatsch: ich sagte linke Kritik, nicht liberale Kritik.

    Da bin ich nicht bereit zu unterscheiden. Mir ist es wichtiger ob eine Kritk notwendig ist als ihre Einfallswinkel.

  • Wemir auf die Frage, welche Linke, da würde ich gar nicht mal groß differenzieren wollen, weil der bloße Effekt einer solchen Debatte eigentlich nur schädlich ist. Man kann sie natürlich lostreten, sollte sich aber im Klaren darüber sein, dass alles Gesagte von “den Rechten“ dazu genutzt wird, um “den Linken“ Untätigkeit, Inkonsequenz und überhaupt ein völlig realitätsfernes Menschenbild zu attestieten. Ich bin auch ein Träumer.


    Naja, sagen wir mal so, außer jemand hätte den Vorwurf hier im Land losgetreten, sehe ich bei dem Fall keinen Anlass über eine Islamismuskritik der deutschen Linken zu diskutieren. Ich würde die Perspektive mal umdrehen: In Wirklichkeit unterscheidet sich die Ablehnung der spezifischen Tat und der allgemeinen Ziele des Islamismus bei den meisten Linken, egal wo in Europa, nicht vom breiteren politischen Spektrum, sondern bei Rechten kommt einfach zusätzlich Ressentiment dazu. Und die verurteilen eigentlich nicht irgendwelche fehlende Ablehnung sondern, dass Linke in ihren Äußerungen zu der Tat dieses Ressentiment nicht bedienen.

  • wenn man noch die ein oder andere pointe mehr einbaut, könnte das von pispers sein

  • Wow.

    Das muss schon wieder einer dieser Threads sein, bei dem hunderte Beiträge verfasst werden, die eigentlich nur die freien Zeitlücken bei hier manch trauriger Gestalt füllen sollen.

    Denn seien wir mal ehrlich....kaum ein Linker wird sich irgendeine Schuld eingestehen. Denn in Relation zu den Rechten sind die Linken ja DIE GUTEN ("Wir sind die guten-Sound" hier einfügen).

    Klar, wenn man sich mit dem größten Abschaum (Rechte) vergleicht, ist man relativ gesehen vielleicht gut. Absolut gesehen ist das dann aber etwas anderes.

  • Wow.

    Das muss schon wieder einer dieser Threads sein, bei dem hunderte Beiträge verfasst werden, die eigentlich nur die freien Zeitlücken bei hier manch trauriger Gestalt füllen sollen.

    Denn seien wir mal ehrlich....kaum ein Linker wird sich irgendeine Schuld eingestehen. Denn in Relation zu den Rechten sind die Linken ja DIE GUTEN ("Wir sind die guten-Sound" hier einfügen).

    Klar, wenn man sich mit dem größten Abschaum (Rechte) vergleicht, ist man relativ gesehen vielleicht gut. Absolut gesehen ist das dann aber etwas anderes.

    Was ist deine Meinung: braucht es eine linke Islamismuskritik, fernab von Identitätspolitik?

  • Über das Versäumnis von Islamismuskritik in den Medien könnte man auch reden, die haben massiv als unterstützende Struktur Terrorgruppen in Syrien als Gutmenschen hingestellt.


    Man konnte relativ früh sehen wie Kinder enthauptet wurden, wie 400 Christen der Hals aufgeschnitten wurde, Schuss in den Kopf und von einer Klippe ins rot verfärbte Meer geworfen wurden, Massengräber der Yesidis und Kurden, Sklavenhandel, Kreuzigungen - nichts davon passierte im geheimen, alles von Anfang bis Ende gut sichtbar (ausserhalb der MSM).


    Ich war mir relativ früh klar darüber lieber einen säkularen Staat mit viele Religionen (über 12 verschiedene in Syrien) die bisher friendlich zusammen lebten, die Alternative war ein ISIS-Kaliphat. Die Wahl hätte in so mancher Redaktion schneller und richtiger fallen können.


    Die von der Tükei unterstützten Millizen rund um Idlib tragen noch heute IS-Patches, in Syrien, Libyen und Aserdaidschan.

  • Wow.

    Das muss schon wieder einer dieser Threads sein, bei dem hunderte Beiträge verfasst werden, die eigentlich nur die freien Zeitlücken bei hier manch trauriger Gestalt füllen sollen.

    Denn seien wir mal ehrlich....kaum ein Linker wird sich irgendeine Schuld eingestehen. Denn in Relation zu den Rechten sind die Linken ja DIE GUTEN ("Wir sind die guten-Sound" hier einfügen).

    Klar, wenn man sich mit dem größten Abschaum (Rechte) vergleicht, ist man relativ gesehen vielleicht gut. Absolut gesehen ist das dann aber etwas anderes.

    Abgesehen von der triefenden Projektion, woran sollen die Linken Schuld sein?

  • Erschreckend finde ich es nicht, dass Muslime nicht für die Meinungsfreiheit etc. auf die Straße gehen und den Mord an Samuel Paty verurteilen (Etwas das natürlich trotzdem angebracht wäre, so geht ein zivilisierter Mensch auch für BLM oder für die NSU-Ermordeten auf die Straße). Erschreckend finde ich es, wie nun einige Muslime auf Macron reagieren. Sie drohen ihm mit Mord und Frankreich mit der Vernichtung.


    Charlie Hebdo oder auch Samuel Paty nun eine Teilschuld in die Schuhe zu schieben, weil Charlie Hebdo Karikaturen von Mohammed zeichnen und Samuel Paty eine Karikatur von Mohammedthematisierte ist wirklich verabscheuungswürdig. Besonders dieses dann auch noch mit der Religionsfreiheit zu verteidigen...

  • Ich war auch gegen Sarrazins Kopftuchmädchen-Bashing. Als ich bei Twitter was über die Türkei schrieb kommt mir so`n Kartoffel-Linker daher und meint ich sei ein "islamophobes Schwein" - das ist Nonsens, aber mittlerweile reicht ein Schlagwort um in eine Schublade zu kommen, da fragt auch niemand vorher zweimal nach bevor man ihn da reinsteckt - eine ungute Entwicklung.

    Sowas ähnliches ist mir auch schon passiert auf Twitter. Das ist der Erfolg der rechtsradikalen Trollarmeen. Sie haben die sozialen Netzwerke mit ihrer anti-islamischen Hetze emotional so sehr aufgeheizt, dass die Linken alles abblocken was auch nur ansatzweise nach einer rechten Argumentationlinie riecht. (Ich meine, Steve Bannon hat das sogar mal als eine Strategie der Rechten bezeichnet.)


    Zum Thema: Linke sollten sich lieber auf das Thema soziale Gerechtigkeit konzentrieren. Und immer dort wo verlangt wird Position zu extremistischen Handlungen/Denkweisen zu beziehen ausschließlich sagen, dass die Bekämpfung von sozialer Ungleichheit die beste Methode ist Extremismus einzudämmen.

  • Kritik kann ja auch positiv sein, daher: Kurz nach den Anschlägen am 11. September wurde in der Sendung Kulturzeit (auf 3sat) ein Experte interviewt, der meinte der Islam habe sozialistische Elemente (er erwähnte z.B. das Vergeben von zinslosen Krediten). Und angeblich gab es unter seinen Kollegen bereits vor dem 11. September die Verschwörungstheorie, dass sich die westlichen Eliten nach dem Zusammenbruch der Sowietunion auf die Bekämpfung des Islam konzentrieren würden, um das sozialistische Gedankengut in den entsprechenden Ländern zurückzudrängen. Aber keine Ahnung in wie weit das realistisch ist und ich erinnere mich auch nicht mehr an den gesamten Beitrag und wie diese Theorie eingeordnet wurde.

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