#481 - Andreas Kemper über Faschismus, AfD & Degussa Goldhandel

  • Tilo Nö, habs gefeiert, dass ihr online gegangen seid aus dem geheimnisvollen Showroom. Ich finde die Möglichkeit gerade bei Andreas Kemper und einem so großen Themenkomplex Fragen einbringen zu können hat sehr gepasst.


    Top Interview jedenfalls! Man merkt richtig, wie tief Kemper in der Materie zur AfD drinsteckt, wahrscheinlich so umfangreich wie kaum ein anderer. Das war so viel Information auf einen Schlag, ich muss (und werde auch) das Dingen noch ein zweites und drittes Mal schauen. Dazu kommt halt seine ruhige, langsame Vortragsweise und es macht ihn sympathisch als Wissenschaftler, wenn er zugibt, dass er etwas nicht weiß. Stark war, wie er die einzelnen theoretischen Begriffe wie anarchokapitalistisch, rechtsradikal, rechtsextrem und weitere bis auf die Wortwurzel dekonstruiert hat.


    Insgesamt erschreckend was für ein breites Netzwerk hinter der AfD steckt und wer da die teils rivalisierenden Chefideologen sind. Eine Privatsrechtsgesellschaft? Einfach nur menschenverachtend und das zeigt nur, dass diese Menschen scheinbar keinen moralischen Kompass mehr haben, wenn sie soetwas denken, propagieren und politisch umzusetzen versuchen. Das war ja schon teilweise absurd, was für Comedy Momente im Interview rausgesprungen sind, mit dem bekloppten Wahlkönig oder der Verbindung zum FC Bayern usw.


    Beim Schauen musst ich aber auch an das Interview mit Annette Ramelsberger zurückdenken. Denn was Kemper beschrieb ist ja die rein ideologische Ebene der AfD. Eine andere Ebene besteht aus den - nicht im Kemper'schen Sinne, sondern weil ich keinen besseren Begriff finde - rechtsextremen Netzwerken mit AfD-Verbindungen wie z.B. lokale Nazi-Gruppen in ganz Deutschland oder Rechtsterroristen wie der NSU oder in Behörden oder Bundeswehr. Ich finde das sollte man nicht vergessen, wenn man die AfD betrachtet.


    Ich stimmte überdies Kemper zu, dass man mit AfDlern reden sollte, es eben auf das "wie" ankommt. Tilo hat bei Kalbitz einen guten Job gemacht meiner Meinung nach, und ebenso das von Kemper angesprochene Sommerinterview des MDR mit Bernd Höcke. Auch im MDR wurde Höcke auf seine Ladig-Vergangenheit angesprochen und der Journalist hat Bernd auch unterbrochen, als er sich weigerte auf Fragen zu antworten, nur um seine Talking Points unterzubringen. Da bedarf es standhafte Journalisten und Mut zum Reingrätschen.


    Ich wollte noch etwas Ergänzen zum Auftreten von Markus Krall in diversen Publikationen, u.a. der Epoch Times. Kemper hat völlig korrekt darauf verwiesen, dass die Epoch Times eine Zeitung ist allermindestens mit Nähe zu chinesischen Dissidenten aufgrund ihrer Falun Gong. Man muss sagen, dass Falun Gong ein komplexes Thema ist. Teilweise sieht man sie ja auch in deutschen Städten bis sogar in die friedliche Dorfprovinz an belebten Plätzen mit Infoständen, wo sie Broschüren über Organentnahmen in China rausgeben ihre meditative Lehre und halt rummeditieren. Insgesamt machen die ja ein friedlichen Eindruck, aber...


    ...aber hinter Falun Gong steckt ein recht großes internationales Mediumimperium mit Fernsehsendern in den USA (New Tang Dynasty TV) oder Theaterstücken (Shen Yun) die sich auf der Ebene der "Soft Power" einen Kampf mit der Chinesischen Parteiendiktatur liefern. Die Falun Gong-Bewegung wuchs in den 90ern rasant an, als in China die Gesellschaft im Zuge des Ende des Kalten Krieges sich auch zu öffnen begann. Die Falun Gong wuchs der KPCh aber zu schnell zu stark an, weshalb sie verboten wurde von Parteichef und Präsident Jiang Zemin. Das ist der Vor-Vorgänger von Xi Jinping. Deswegen sind viele Praktizierende nach Hong Kong, Macau und v.a. in die USA geflüchtet, wo es bereits viele chinesische Immigranten gibt. Diese Infostände gibt es auch gerade in Hongkong sehr viel an Hotspots, wo die Touris vom chinesischen Festland durchlaufen. Da zeigen die Falun Gong Anhänger dann immer Plakate wo Jiang Zemin als Teufel mit langen scharfen Schneidezähnen dargestellt wird.

    Durch das Verbot hat die Falun Gong-Bewegung ein starkes antikommunistisches Element, neben dem teuflischen Element, was Kemper angesprochen hat. Insofern ergibt es Sinn, dass sich bei der Epoch TImes mit ihren Falun Gong-Verbindungen, ihren rechtspopulistischen Artikeln und ihrem Antikommunismus/Anti-KPCh Schnittmengen mit diesen deutschen Privatrechtsgesellschafts-Fanatikern wie Krall ergeben.


    My two Cents!


    Frage noch zum Schluss:

    Kann man jetzt öfters mit regulären Episoden mit Livechat rechnen oder nicht? Wird Jung&Live noch fortgeführt oder nicht mehr? Die Gespräche mit Gert Scobel waren ja auch hervorragend.


    Danke Team J&N!

  • Max Otte ist doch kein Marktradikaler. Eher im Gegenteil. Ich zitiere mal aus dem Wiki-Artikel.



    Zitat

    2009 forderte Otte eine Verstaatlichung der Bank Hypo Real Estate.[23] Er befürwortet Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie andere genossenschaftlich organisierte Banken als Stabilitätsfaktor und als Weg zur Mittelstandsförderung.

    Otte bezeichnete den internationalen Finanzmarkt als Bedrohung für die Demokratie. Der Finanzsektor habe die Politik gekapert.

    Bei einer Veranstaltung der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation Attac kritisierte Otte im August 2017, die Politik habe vor der Kapitallobby kapituliert. Er beschrieb die herrschende Wirtschaftsordnung als „Beutekapitalismus“ zum Vorteil von Superreichen und forderte, Finanzeinkommen wie Arbeitseinkommen zu besteuern.


    Dieser Marktradikalismus erinnert mich an Shadowrun. Da war das sehr schön dargestellt mit der Konzernherrschaft.

  • Frage noch zum Schluss:

    Kann man jetzt öfters mit regulären Episoden mit Livechat rechnen oder nicht? Wird Jung&Live noch fortgeführt oder nicht mehr? Die Gespräche mit Gert Scobel waren ja auch hervorragend.

    Ja, wir werden jetzt öfter Jung & Naiv Folgen live produzieren (was uns Postproduktion spart). Scobel bleibt auch. Neue Sendungen kommen hinzu ;)

  • Ja, wir werden jetzt öfter Jung & Naiv Folgen live produzieren (was uns Postproduktion spart). Scobel bleibt auch. Neue Sendungen kommen hinzu ;)

    Prima!


    Jetzt muss mir nur noch jemand verraten, wo solche Sendungen angekündigt werden und wie man eigene Fragen einbringen kann. Ich beobachte das erfrischende naive Treiben schon eine ganze Weile und habe schon beinahe alle Folgen von Jung & Naiv angeschaut, doch wie diese Interaktion abläuft, ist mir bislang verborgen geblieben. Vermutlich irgendwie mit Twitter, denn die eingeblendeten Fragen sehen meist aus wie Tweets.

  • Schönes Interview, auch wenn Herr Kemper einen Herr Krall viel zu ernst nimmt. Herr Krall sind gesellschaftliche Entwicklungen relativ egal. Er ist in erster Linie ein Crash-Prophet, der versucht, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erlangen, um mit seinen regelmäßig erscheinenden Crash-Büchern möglichst viel Geld zu verdienen. Zur selben Kategorie gehören auch ein Marc Friedrich oder ein Prof. Max Otte. Nähe zu libertären Organisationen suchen diese Leute vor allem deshalb, weil es dort viele empfängliche Kunden für Ihre Crash-Literatur gibt. Es ist also reines Marketing.


    Ich rate auch dringend davon ab, Herrn Krall (oder andere Crashpropheten wie Marc Friedrich oder Max Otte) zu Jung & Naiv einzuladen, da sie das zweifellos nutzen würden, um ihre oberflächlichen Crash-Bücher in noch größeren Stückzahlen an ein Publikum zu promoten, das sie auf den Investitionschannels, auf denen sie sonst auftreten, nicht erreichen können.


    Die Ökonomen-Interviews sind zwar mit die besten, aber dann lieber starke Ökonomen wie Marcel Fratzscher, Lars Feld, Clemens Fuest, Stefan Kooths einladen, die durchaus unterschiedliche Richtungen vertreten, aber auch wissenschaftlich sehr anerkannt sind, anstatt von Heinis wie Hans-Werner Sinn, Heiner Flassbeck oder Markus Krall, die ökonomisch nicht mehr auf dem Stand der Zeit oder Leichtgewichte sind und denen es nur darum geht, möglichst viel Geld mit ihren Büchern zu scheffeln.

  • Die Ökonomen-Interviews sind zwar mit die besten, aber dann lieber starke Ökonomen wie Marcel Fratzscher, Lars Feld, Clemens Fuest, Stefan Kooths einladen, die durchaus unterschiedliche Richtungen vertreten, aber auch wissenschaftlich sehr anerkannt sind, anstatt von Heinis wie Hans-Werner Sinn, Heiner Flassbeck oder Markus Krall, die ökonomisch nicht mehr auf dem Stand der Zeit oder Leichtgewichte sind und denen es nur darum geht, möglichst viel Geld mit ihren Büchern zu scheffeln.

    Es nutzt ja nichts, in der eigenen Lieblings-Filterblase zu bleiben. Leute wie Hans-Werner Sinn sind einflussreich, also sollte man auch mit ihnen sprechen. Natürlich rollen sich einem da gelegentlich die Zehennägel hoch, doch nur so kann man verstehen, wie und warum die aktuelle Politik so läuft, wie sie läuft.

  • Es nutzt ja nichts, in der eigenen Lieblings-Filterblase zu bleiben. Leute wie Hans-Werner Sinn sind einflussreich, also sollte man auch mit ihnen sprechen. Natürlich rollen sich einem da gelegentlich die Zehennägel hoch, doch nur so kann man verstehen, wie und warum die aktuelle Politik so läuft, wie sie läuft.

    Leute wie Hans-Werner Sinn waren vielleicht mal einflussreich, heute sind sie das aber nicht mehr. Im besten Fall können sie noch auf ein paar Vorträgen den Erzählonkel spielen. Sie berichten von einer lang vergessenen Zeit und können mal erzählen, wie es damals lief. Vom heutigen Geschehen haben sie nicht mehr viel Ahnung.


    Clemens Fuest, Lars Feld oder Marcel Fratzscher sind einflussreich und auf der Höhe des Geschehens.

  • Tilo braucht wieder einen Podcast im Aufwachen Format 🤔 Das war so genial. Aber leider hat Stefan jetzt alles mit seinem Podcast kopiert, schon ärgerlich.

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